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Wer haftet für fliegende Steine?

Die Situation ist bekannt. Man ist mit seinem Auto unterwegs, und plötzlich knallt ein Stein in die Frontscheibe. Abhängig von Größe und Lage des Schadens, reichen die Reaktionen von Achselzucken, bis hin zum Austausch der Scheibe.
Informationen
11.04.2017
ca. 4 Minuten
Steinschlag durch herabfallende Ladung oder aufgewirbelte Steine

Wer eine Teilkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung hat, ist auf der sicheren Seite. Fehlt diese jedoch oder wurde ein hoher Selbstbehalt vereinbart, kann der Schaden schnell ins Geld gehen. Wie gut, wenn dann ein Fahrzeug vorausfährt, das den Stein hochgeschleudert haben könnte und als potenzieller (oder tatsächlicher) Verursacher ausgemacht werden kann.

So war es auch in dem vorliegenden Fall. Ein Lkw hatte einen Stein hochgeschleudert, der die Frontscheibe des nachfolgenden Fahrzeugs beschädigte. Da der Versicherer des Lkws die Entschädigung verweigerte, erhob der Geschädigte Klage vor dem Amtsgericht Hersbruck. Er obsiegte (Urt. v. 08.03.2016, Az. 1 C 540/15).Das LG Nürnberg Fürth, bei dem der Versicherer form- und fristgerecht Berufung eingelegt, hatte, änderte jedoch das Urteil und wies die Klage ab (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.03.2017, Az. 2 S 2191/16)

Das Amtsgericht bejahte den Anspruch gegen den Versicherer des LKW aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG. Schließlich sei der Schaden beim Betrieb des LKW entstanden (vgl. LG Heidelberg, Urt. v. 21.10.2011, Az. 5 S 30/11).

Ein hochgeschleuderter Stein ist keine höhere Gewalt

Bevor es der Klage stattgab, prüfte es aber zunächst, ob die Haftung infolge höherer Gewalt ausgeschlossen sein könnte. Höhere Gewalt liegt vor, wenn es sich um ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis handelt. Bei einem, durch ein vorausfahrendes Fahrzeug hochgeschleuderten, Stein liegt dies nahe (vgl. LG Bonn, Urt. v. 29. 07.2004, Az. 6 S 117/04). Das alleine reicht aber noch nicht. Es muss sich zudem um ein nach menschlicher Einsicht und Erfahrungen unvorhersehbares Ereignis handeln das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch nach den Umständen durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf reine Häufigkeit in Kauf genommen werden muss (vgl. LG Itzehoe, Urt. v. 11.07.2003, Az. 7 O 130/03).

Bei hochgeschleuderten Steinen dürfte dies regelmäßig nicht der Fall sein. Das Amtsgericht sah das ebenso, beendete es die Prüfung und gab der Klage statt. Die Beklagte ging in die Berufung.

Und im Gegensatz zum Amtsgericht kam das Landgericht Nürnberg-Fürth zu dem Schluss, dass in dem streitgegenständlichen Baustellenbereich nicht mit dem Vorhandensein lose herumliegender Steine zu rechnen und eine Gefährdung Dritter durch einen hochgeschleuderten Stein nicht voraussehbar gewesen sei. In seinem Urteil (s.o. Az. 2 S 2191/16) gelangte es daher zu der Überzeugung, dass der Versicherer sich zu Recht auf einen Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 3 StVG wegen eines unabwendbaren Ereignisses berufen konnte.

Ein Steinschlag muss kein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1, 2 StVG sein!

Auch das Landgericht hat das Vorliegen höherer Gewalt verneint. Es prüfte aber darüber hinaus, ob nicht möglicherweise ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1, 2 StVG vorgelegen haben könnte. Ein solches ist immer dann gegeben, wenn der Schaden nicht abgewendet werden konnte, obwohl der Fahrer jede – nach den Umständen des Falles gebotene – Sorgfalt beobachtet, d.h. sich wie ein Idealfahrer verhalten hat. Erforderlich ist, dass das sachgemäße, geistesgegenwärtige Handeln über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus geht (vgl. BGH, Urt. v. 17.03. 1992, Az. VI ZR 62/91; BGH, Urt. v. 13.12.2005, Az. VI ZR 68/04).

 

Der Idealfahrer ist gefordert!

Der Idealfahrer rechnet situationsbezogen mit allen möglichen Gefahren und passt seine Fahrweise entsprechend an. Er verringert beispielsweise seine Geschwindigkeit, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden, wenn innerhalb eines Baustellenbereichs mit herumliegenden Steinen zu rechnen ist. Wo dies nicht der Fall ist, besteht für den Idealfahrer aber auch keine Notwendigkeit dazu.

So verhielt es sich in diesem Fall. Das Gericht stellte fest, dass der LKW-Fahrer nicht mit lose herumliegenden Steinen rechnen musste. Eine Gefährdung Dritter durch hochgeschleuderte Steine war in dem durchfahrenen Bereich nicht vorhersehbar, obwohl sich neben der Fahrbahn eine Baustelle befand.

Folglich musste der Fahrer seine Geschwindigkeit nicht verringern. Nach sorgfältiger Abwägung stufte das Gericht das Ereignis als unabwendbar ein und wies die Klage ab. Damit befindet es sich übrigens in guter Gesellschaft. Das AG Brandenburg (Urt. v. 18.07.2014, Az. 31 C 147/12) oder das OLG Hamm (Urt. v. 03.07.2015, Az. I-11 U 169/14) hatten – in vergleichbaren Fällen – jeweils ein unabwendbares Ereignis bejaht.

Schäden durch herabfallende Ladung sind zu ersetzen!

Die Feststellungen beziehen sich ausschließlich auf aufgewirbelte und auf der Fahrbahn liegende Steine. Kommt es beispielsweise bei einem Schüttguttransport zu Schäden, weil die Ladung nicht oder nur unzureichend gesichert ist, dürfte ein Anspruch bestehen (vgl. AG Hamburg, Urt. v. 04.09.2002, Az. 52 C 63/02; AG Brandenburg, Urt. v. 18.07.2014, Az. 31 C 147/12).

Kanzlei Voigt Praxistipp

Die angesprochenen Urteile zeigen, dass es die Feinheiten und die ganzheitliche Betrachtung sind, die über Erfolg oder Misserfolg einer Klage entscheiden.

Dies gilt nicht nur, wenn auf der Gegenseite ein Versicherer steht, der den Schaden nicht bezahlen will, sondern auch für die Abwehr unberechtigter Forderungen. Für die Anwälte der Kanzlei Voigt ist es normal, auf diese Feinheiten zu achten.

Sollten sie einen Schaden erlitten haben kontaktieren Sie uns frühestmöglich und nicht erst dann, wenn der Versicherer des Unfallgegners die Ihnen zustehende Entschädigung verweigert!

Voigt regelt!

Aktualisiert am 28.04.2025

Bidnachweis: Pexels / Pixabay

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