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Keine Rohmessdaten = Keine Fahrtenbuchauflage?

Wenn ein erheblicher Geschwindigkeitsverstoß begangen wird, aber der Fahrer nicht ermittelt werden kann, droht dem Halter regelmäßig eine Fahrtenbuchauflage. Doch was, wenn der Halter die gemessene Geschwindigkeit bestreitet? Kein Problem bei standardisierten Messverfahren meinte das Verwaltungsgericht (VG) des Saarlandes in seinem Beschluss vom 09.01.2020 (Az.: 5 L 1710/19). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Saarlandes sah die […]
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13.04.2020
ca. 3 Minuten
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Wenn ein erheblicher Geschwindigkeitsverstoß begangen wird, aber der Fahrer nicht ermittelt werden kann, droht dem Halter regelmäßig eine Fahrtenbuchauflage. Doch was, wenn der Halter die gemessene Geschwindigkeit bestreitet? Kein Problem bei standardisierten Messverfahren meinte das Verwaltungsgericht (VG) des Saarlandes in seinem Beschluss vom 09.01.2020 (Az.: 5 L 1710/19). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Saarlandes sah die Angelegenheit in seinem Beschluss vom 30.03.2020 (Az.: 1 B 15/20) dagegen als nicht so einfach.

Was war passiert?

Im Dezember 2018 wurde der Wagen eines Fahrzeughalters auf einer Autobahn mit 41 km/h mehr als den zulässigen 80 km/h von einem PoliScan FM 1 geblitzt. Als Fahrerin war eine Frau zu erkennen. Daraufhin erhielt der Halter on der Bußgeldstelle einen Zeugenfragebogen mit der Aufforderung die Personalien der Fahrerin mitzuteilen. Als die Bußgeldstelle keine Antwort erhielt, versandte sie an die Ehefrau des Halters einen Anhörungsbogen mit der Aufforderung sich zu dem Vorwurf zu äußern. Auch hier erhielt sie Bußgeldstelle keine Antwort.

Nach weiteren, erfolglosen Ermittlungen wurde das Verfahren dann eingestellt und der Halter darüber in Kenntnis gesetzt. Darüber hinaus folgte ein Schreiben der Bußgeldstelle, dass sie beabsichtige eine Fahrtenbuchauflage aufzuerlegen. Auf dieses Schreiben hin schaltete der Halter einen Rechtsanwalt ein, der Akteneinsicht beantragte und die Messung in Frage stellte. Dabei bezog er sich auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes, weil bei dem Messverfahren nicht alle zur Überprüfung der Messung notwendigen Daten gespeichert würden, obwohl dies technisch möglich wäre. Damit wäre die Messung nicht überprüfbar.

Die Bußgeldstelle schenkte dem keine Beachtung und legte mit Bescheid aus Oktober 2019 dem Halter für sechs Monate das Führen eines Fahrtenbuches auf, wobei sie die sofortige Vollziehung anordnete. Dagegen wehrte sich der Halter mit einem Widerspruch und einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung. Das angerufene Verwaltungsgericht sah jedoch die Voraussetzungen für die Fahrtenbuchauflage als gegeben und wies den Antrag zurück. In dem Beschluss hieß es dazu: Zumindest in Bezug auf die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage sei davon auszugehen, dass geeichte Geschwindigkeitsmessgeräte mit Bauartzulassung bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion oder eine unsachgemäße Bedienung hinreichend verlässliche Beweise für eine Geschwindigkeitsüberschreitung erbringen.

Dagegen wandte sich der Halter an das Oberverwaltungsgericht.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Oberverwaltungsgericht änderte den Beschluss des Verwaltungsgerichts ab und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Fahrtenbuchauflage wieder her. Die Richter sahen in dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes eine Entscheidung mit Bindungswirkung, auch wenn in anderen Bundesländern eine andere obergerichtliche Rechtsprechung vorherrsche. Die Argumentation, es liege ein standardisiertes Messverfahren vor, hebe diese Bindungswirkung nicht auf.

Vielmehr habe das Urteil des Verfassungsgerichtshofs deutlich gemacht, dass zu einem rechtsstaatlichen Verfahren aus Gründen der Transparenz und Kontrollierbarkeit jeder staatlichen Machtausübung die grundsätzliche Möglichkeit der Nachprüfbarkeit einer auf technischen Abläufen und Algorithmen beruhenden Beschuldigung gehöre. Weiter heißt es in dem Beschluss: Die Speicherung der Rohmessdaten sei ohne größeren Aufwand technisch möglich. Zwingende Gründe, Rohmessdaten nicht zu speichern, gebe es nicht und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs fest, dass ihre Speicherung es erlaube, das Ergebnis eines Messvorgangs nachzuvollziehen. Unter diesen Gegebenheiten könne sich ein Betroffener – selbst ohne nähere Begründung – gegen das Messergebnis wenden und ein Fehlen von Rohmessdaten rügen.

Ob und in welchem Umfang beim PoliScan FM 1 Rohmessdaten gespeichert werden, sei aus Sicht des Gerichts fraglich. Die Frage der Speicherung bedarf daher der Klärung in einem Hauptsacheverfahren. Daher sei eine Interessensabwägung im einstweiligen Rechtsschutz vorzunehmen, die – unter Zugrundelegung des Urteils des Verfassungsgerichtshofs – zu Gunsten des Halters ausfallen müsse.

Kanzlei Voigt Praxistipp

Nicht jede Fahrtenbuchauflage erfolgt gerechtfertigt. Daher lohnt es sich häufig ihre Anordnung zu hinterfragen. Dabei kann beispielsweise die der Auflage zugrunde liegende Messung fragwürdig sein – wie in diesem Fall – oder die Ausschöpfung der zumutbaren Ermittlungen.

Die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt beraten Sie gerne, wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben, ob und wie dagegen vorgegangen werden kann.

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