BGH, Urteil vom 07.07.2020, Az. VI ZR 308/19
Doch wer haftet, wenn die (fehlerhafte) Einschätzung des Sachverständigen zu einer mangelhaften Reparatur und damit zu einem weiteren Schaden führt? Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof befassen.
Eine Fahrzeugeigentümerin ließ an ihrem Wagen einen sogenannten Tankwartcheck
bei einer Tankstelle durchführen. Dabei vergaß der Tankstellenmitarbeiter den Deckel des Kühlwasserausgleichsbehälters wieder aufzuschrauben. Dadurch wurde der Zylinderkopf des Motors beschädigt und die Fahrzeugeigentümerin machte den entstandenen Schaden beim Betriebshaftpflichtversicherer der Tankstelle geltend.
Der Wagenwurde zur Überprüfung und Reparatur in eine Werkstatt gebracht und ein beim Versicherer angestellter Kfz-Sachverständiger hinzugezogen. Nach der Begutachtung stellte der Sachverständige fest, dass zusätzlich zu den Arbeiten am Zylinderkopf auch der Zahnriemen auszutauschen sei. Auf den Hinweis der Werkstatt hin, dass auch die die Nebenaggregate antreibenden Zusatzriemen auszutauschen seien, vertrat der Sachverständige die Auffassung, dies sei unnötig und würde lediglich die Kosten in die Höhe treiben.
Die Werkstatt reparierte das Fahrzeug gemäß den Vorgaben des Sachverständigen (ohne Zusatzriemen). Infolge des unterbliebenen Austauschs der Zusatzriemen entstand bei einer Fahrt mit dem reparierten Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden. Den Schaden machte die Eigentümerin gegen die Werkstatt und den Sachverständigen gerichtlich geltend.
Das zunächst angerufene Amtsgericht (AG) Düsseldorf gab der Eigentümerin mit Urteil vom 31.08.2018 (Az. 25 C 379/17) Recht. Damit wollte sich der Sachverständige nicht zufrieden geben und ging in Berufung. Das Landgericht (LG) Düsseldorf sah die Angelegenheit als erledigt an, weil die Werkstatt die Ansprüche zwischenzeitlich beglichen hatte, und wies die Berufung des Sachverständigen zurück (Urt. v. 24.06.2019, Az. 22 S 281/18). Der Sachverständige legte Revision zum BGH ein, aber auch diese wurde zurückgewiesen.
Der BGH teilte die Auffassung des Landgerichts, dass die Angelegenheit durch die Zahlung der Werkstatt erledigt sei. Im Grunde sei der Anspruch gegen den Sachverständigen aber begründet, denn er “habe durch sein Handeln, nämlich seine Erklärung gegenüber dem Werkunternehmer, die Erneuerung der Zusatzantriebsriemen sei überflüssig, das Unterbleiben dieser Maßnahme veranlasst, was zu dem Eintritt des Motorschadens geführt habe.
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Auch dass die Werkstatt trotz ihres Einwands, dass die Reparatur der Zusatzriemen erforderlich gewesen sei, die Reparatur nicht durchgeführt habe, stand der Haftung des Sachverständigen nicht entgegen. “Der Zurechnungszusammenhang sei nicht durch das Dazwischentreten des Werkunternehmers unterbrochen worden, da der Beklagte als Kfz-Sachverständiger, dem besonderes Expertenwissen zugemessen werde, die mangelhafte Reparatur durch den Werkunternehmer herausgefordert habe.”
Ohne die Einschätzung des Sachverständigen, dass die Arbeiten überflüssig seien, hätte die Werkstatt die Arbeiten durchgeführt.
Versicherer wollen sparen. Oftmals werden daher Schäden klein gerechnet oder Arbeiten als nicht erforderlich eingestuft. In vielen Fällen betrifft es Positionen wie Beilackierungskosten für den Farbangleich der Karosserie an neu eingesetzte Teile oder Kleinteilen. Doch wie dieser Fall zeigt, können Spartrieb und Einsparungen an falscher Stelle folgenschwere Konsequenzen und teurere Schäden nach sich ziehen.
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