Das Fahrzeug des Geschädigten war bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden und die Einstandspflicht des Versicherers war dem Grunde nach unstrittig. Allerdings war die Angemessenheit der vom Geschädigten auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktiv geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 4.029,12 Euro strittig. Der Haftpflichtversicherer beanstandete die Höhe der Reparaturkosten und zahlte 2.968,07 Euro. Dabei verwies er auf die geringeren Stundenlöhne (sogenannte Stundenverrechnungssätze) einer Referenzwerkstatt.
Der Geschädigte war damit nicht einverstanden und verklagte den Haftpflichtversicherer. Dabei verlangte er – neben anderen Schadenspositionen – den Ausgleich der Differenz in Höhe von 1.061,05 Euro. Er begründete dies damit, dass das von ihm vorgelegte Gutachten mit den mittleren durchschnittlichen Stundenverrechnungssätzen für nicht markengebundene Fachwerkstätten kalkuliere, die ein Gerichtssachverständiger für den Großraum München in einem Gerichtsgutachten ermittelt habe. Auch die berechneten Aufschläge auf die Ersatzteilpreise (UPE-Aufschläge) und Verbringungskosten für die Fahrzeugverbringung zum Lackierer seien als orts- und branchenübliche Kosten voll erstattungsfähig.
Die Reparaturkosten seien damit in der geltend gemachten Höhe sowohl erforderlich als auch angemessen.
Der Versicherer beantragte Klageabweisung. und behauptete, die berechneten Stundenverrechnungssätze seien zu hoch. Der Geschädigte sei auf die niedrigeren Stundenverrechnungssätze der benannten Referenzwerkstatt zu verweisen, da diese gleichwertig mit einer markengebundenen Fachwerkstatt des Fahrzeugherstellers sei. Im Übrigen würde die benannte Werkstatt weder UPE-Aufschläge noch Verbringungskosten berechnen. Der Geschädigte habe keinen Anspruch auf weitere Zahlungen.
Das sah das AG München anders und sprach dem Geschädigten zum Ausgleich der Reparaturkosten weitere 906,37 Euro zu. Das Gericht hielt den vom Versicherer vorgenommenen Verweis auf die günstigeren Verrechnungssätze der Referenzwerkstatt für unzulässig. Es begründete seine Ansicht damit, dass die Stundensätze in dem vom Geschädigten vorgelegten Gutachten den im Großraum München ortsüblichen mittleren Sätzen nicht markengebundener Fachwerkstätten entsprächen. Diese seien dem Gericht bekannt, das sie ein Gerichtssachverständiger bereits in einem anderen Verfahren ermittelt habe. Dabei sei auch dargelegt worden, dass die Berechnung von UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten für den Großraum München üblich sei. Auch diese Kosten seien daher erstattungsfähig.
Der von der Klageforderung in Abzug gebrachte Betrag betraf Arbeiten, die zur Beseitigung der Unfallschäden nicht zwingend erforderlich waren.
Es ist keine Seltenheit, dass Haftpflichtversicherer geltend gemachte Reparaturkosten unter Verweis auf günstigere Referenzwerkstätten kürzen. Ob die Kürzungen im Einzelfall gerechtfertigt sind, hängt von verschiedenen Faktoren, wie z.B. Fahrzeugalter oder der Entfernung des Referenzbetriebs, ab.
Damit Sie die Ihnen zustehenden Schadensersatzansprüche in voller Höhe erhalten, empfehlen wir frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nur so stellen Sie Waffengleichheit
mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners her und die Regulierungsverhandlungen
laufen auf Augenhöhe ab.
Sprechen Sie mit uns! Voigt regelt!
Was bedeutet fiktive Abrechnung?
Bei der Beschädigung einer Sache ist der Schadensersatzanspruch nach § 249 Abs. 2 BGB auf Kosten der Wiederherstellung, d.h. die Reparaturkosten beschränkt. Geschädigte können wählen, ob sie konkret oder fiktiv – auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens, ohne durchgeführte Reparatur – abrechnen. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist nicht möglich (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.2021, Az. VI ZR 513/19; 24.01.2007, Az. VI ZR 146/16; s.a. LG Stendal, Urt. v. 26.02.2020, Az. 23 O 86/19).
Urteil: AG München, Endurteil v. 10.08.2018 – 342 C 23638/17 (2)
Stichwort: Fiktive Abrechnung
Bildnachweis: ArtisticOperations / Pixabay
Aktualisiert am 31.07.2023