Statt sich mit den Besonderheiten des Einzelfalls auseinanderzusetzen, gehen die Schadensabteilungen meist nach „Schema F“ vor. Sie hoffen darauf, dass sich die Geschädigten der vermeintlichen Übermacht des Versicherers beugen und den – oft an den Haaren herbeigezogenen – Behauptungen Glauben schenken.
Dies zeigt sich nicht zuletzt immer wieder dann, wenn der eintrittspflichtige Versicherer die Reparatur möglichst kostengünstig aber nicht im Sinne der Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor dem Unfall vorhanden war, durchführen will.
Da die Grundsätze des Schadenersatzrechts aber sowohl für aktuelle Fahrzeuge als auch für Oldtimer gelten, hat der Ersatzpflichtige auch bei der Beschädigung eines Oldtimers den Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB) und nicht nur „irgendwie“.
Geschädigte haben daher gute Chancen, sich erfolgreich gegen die Auswüchse der Sparwut zu wehren und den ihnen geschuldete Schadenersatz zu erhalten. Ob es um die Durchführung der Reparatur oder die Berechnung des Nutzungsausfallschadens geht, macht dabei keinen Unterschied.
Auch Teilschäden können eine Komplettlackierung erforderlich machen!
Handelt es sich bei dem beschädigten Fahrzeug nicht nur um ein hochwertiges, sondern auch um „eines der originalsten seiner Art weltweit“, bei dem für die Verschleißreparaturen ausschließlich zeitgenössische Originalteile verwendet wurden und eine hochwertige, steinschlagresistente Lackierung aufgebracht wurde, kann die vom Versicherer favorisierte „Billigreparatur“ die Funktion der geschuldeten Schadensbehebung nicht erfüllen (vgl. OLG Düsseldorf v. 30.11.2010, Az. I-1 U 107/08).
In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Sachverhalt kam hinzu, dass das Fahrzeug vor dem Unfall erfolgreich an Oldtimer-Rallyes und Ausstellungen teilgenommen hatte. Diese Möglichkeit wäre bei der vom Versicherer favorisierten Teillackierung beeinträchtigt worden, da Farbunterschiede und ein sichtbarer Klarlackübergang nicht ausgeschlossen werden konnten. Hinzu kämen die negative Beeinflussung der Steinschlagfestigkeit der Lackierung, die Spaltmaße sowie Farbunterschiede und unterschiedliche Lackstärken.
Kurzum: Geschädigte müssen sich weder auf Teillackierungsversuche mit unsicherem Ausgang noch sonstige unzureichende Reparaturen einlassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach Auskunft des Lackherstellers „ein identisches Mischergebnis für eine exakte Farbtonangleichung bei der verwendeten Sonderlackierung nur bedingt erreichbar sei und neben der Fachkompetenz auch vom Zufall abhänge.“
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass Teilreparaturen bei Interferenzlackierungen (Flip-Flop) und anderen Effekt- oder Sonderlackierungen oftmals ohnehin ausscheiden.
Die Frage, ob Besitzer von Oldtimern das Fahrzeug angesichts des Alters in einer nicht markengebundenen Werkstatt reparieren lassen müssen, hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2010 entschieden (Urteil vom 13.07.2010, Az. VI ZR 259/09): Geschädigte können auch bei älteren Fahrzeugen einen Anspruch auf Reparatur in einer Markenwerkstatt haben, wenn Wartungs- und Reparaturarbeiten stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchgeführt wurden. In einer solchen Konstellation überwiegt das Interesse des Geschädigten an einer vollständigen Schadensbeseitigung das Interesse des Versicherers an einer möglichst kostengünstigen Reparatur.
Dasselbe dürfte für die Instandsetzung durch einen auf Oldtimer spezialisierten Fachbetrieb gelten.
Die pauschale Aussage, dass es bei Oldtimern keinen Ersatz des Nutzungsausfallschadens gibt, ist nur eingeschränkt richtig.
Wie bei jedem anderen Fahrzeug, so ist auch bei einem Oldtimer entscheidend dass die Nutzung für den Eigentümer wirtschaftliche Gründe hat und die Verfügbarkeit des Fahrzeugs als wirtschaftlicher Vorteil angesehen werden kann (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 30.09.1963 – III ZR 137/62).
Handelt es sich bei dem Oldtimer „lediglich“ um ein Liebhaberstück, dem von vornherein der Charakter eines für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung nicht unentbehrlichen Gegenstandes anhaftet, scheidet eine Nutzungsausfallentschädigung aus (OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023, Az. 14 U 149/22).
Hat der Geschädigte hingegen den Oldtimer als normales Verkehrs- und Transportmittel genutzt und erleidet er durch den Ausfall eine fühlbare Beeinträchtigung, weil er beispielsweise im Alltag auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen muss und in der zeitlichen Planung seines Alltags beeinträchtigt wird, ist ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung zu bejahen. (vgl. OLG Celle, Urt. v. 03.05.2016, Az. 5 U 60/15; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.10.2011, Az. 9 U 29/11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2010, Az. I-1 U 107/08). Hierfür ist er allerdings beweispflichtig.
Oldtimer-Schäden haben ihre Besonderheiten. Da aber gerade die Schadenabteilungen der Versicherer oft nach „Schema F“ arbeiten und blind den Weisungen der Bereichsleitung folgen, kommt es immer wieder zu Konflikten.
Diese lassen sich in der Regel nur vermeiden, wenn dem ersatzpflichtigen Versicherer von Anfang an auf Augenhöhe begegnet wird.
Auch bei Oldtimer-Schäden gilt: Sprechen Sie mit uns!
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