Amtsgericht Gütersloh, Urteil vom 24.02.2025, Az. 10 C 230/24
Das Verschulden des Unfallverursachers war unbestritten. Zum Prozess kam es, weil der eintrittspflichtige Versicherer sich weigerte, die berechtigten Ansprüche des Geschädigten vollständig zu erfüllen.
In erster Linie ging es um die – aus Sicht des Versicherers – angeblich zu hohen Kosten der Anmietung des Ersatzfahrzeugs, das mit einem aufpreispflichtigen Navigationssystem ausgestattet war. Neben dem Preis an sich warf der Versicherer dem Geschädigten vor, er habe das Ersatzfahrzeug bei der Autowerkstatt übernommen, zu der sein beschädigtes Fahrzeug geschleppt worden war, statt es selbst beim Vermieter abzuholen. Außerdem verweigerte der Versicherer den Ersatz der Kosten für die gebuchte Haftungsbegrenzung und den Zweitfahrer.
Wie so oft versuchte der Versicherer auch hier die Angemessenheit der Mietwagenkosten durch die Vorlage eines Alternativangebots infrage zu stellen. Da Geschädigte aber grundsätzlich nicht zur Marktforschung verpflichtet sind und Vergleichsangebote zumindest überwiegend deckungsgleich, insbesondere aber auch auf denselben Zeitraum bezogen sein müssen, hatte er damit schlechte Karten.
Denn abgesehen davon, dass sich das Vergleichsangebot überhaupt nicht auf den maßgeblichen, sondern irgendeinen anderen Abrechnungszeitraum bezog, war auch nicht erkennbar, ob das darin enthaltene Fahrzeug überhaupt für die Urlaubsfahrt nach Kroatien hätte verwendet werden dürfen.
Die Karte des „überhöhten Unfallersatztarifs“ konnte der Versicherer ohnehin nicht spielen, da der Mietvertrag zum Normaltarif abgeschlossen worden war.
Auch die Behauptung, der Geschädigte hätte den Mietwagen selbst abholen müssen, konnte vor Gericht nicht überzeugen.
Unter anderen Umständen wäre es dem Geschädigten vielleicht tatsächlich zuzumuten gewesen, statt der Zustellung die günstigere Abholung mit dem Taxi zu wählen. In diesem Fall befand sich der Geschädigte jedoch mit einem voll beladenen Fahrzeug auf dem Weg in den Urlaub.
Angesichts der Unterbrechung der Reise sowie des damit verbundenen Zeitverlusts durch die Verbringung des Fahrzeugs zur Werkstatt und das anschließende Umladen war er ohnehin schon erheblich beeinträchtigt. Eine Selbstabholung durch eine finanziell günstigere, aber zusätzlichen Zeitaufwand verursachende Taxifahrt war ihm daher nicht zumutbar.
Auch der Einwand, der Geschädigte hätte weder eine Haftungsreduzierung mit Vollkaskoschutz noch einen Zweitfahrer buchen dürfen, blieb ohne Erfolg. Das Gericht wies realitätsnah darauf hin, dass es sich bei dem Mietwagen um ein dem Geschädigten unbekanntes Modell handelte und dass das Risiko von Schäden während des geplanten längeren Auslandsaufenthalts zu berücksichtigen sei.
Abgesehen davon habe auch die vom Versicherer herangezogene Liste eine Vollkaskoversicherung berücksichtigt. Hinsichtlich des Zusatzfahrers verwies das Gericht auf ein Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21.03.2022 (Az. 21 S 103/21). Demzufolge sei es ausreichend, wenn das beschädigte Fahrzeug auch durch einen anderen Fahrer genutzt wurde. Dies war hier der Fall. Bezüglich des Navigationssystems stellte das Gericht fest, entscheidend sei, ob das beschädigte Fahrzeug mit einem Navigationssystem ausgestattet war. Auch das war gegeben.
Die Dauer des Ersatzanspruchs für einen Mietwagen erstreckt sich im Totalschadensfall über die Dauer der notwendigen Ersatzbeschaffung. Dazu kommen dann nochmals die Zeit, die für die Feststellung des Schadens benötigt wird und eine angemessene Überlegungszeit. Bei der fiktiven Abrechnung ist die objektiv erforderliche Dauer maßgeblich.
Im vorliegenden Fall hatte sich der Geschädigte gegen eine Reparatur und für die Ersatzbeschaffung entschieden. Die maßgeblichen Fristen konnten daher erst nach der Rückkehr des Geschädigten aus dem Urlaub zu laufen beginnen.
Der Unfall hatte sich am 20.07.2023, unmittelbar zu Beginn des Urlaubs ereignet. Das Gutachten wurde am 10.08.2023 erstellt. Dieses wies eine Wiederbeschaffungsdauer von 12 bis21 Kalendertagen sowie eine Reparaturdauer von 10 bis 12 Tagen aus. Für den Fall der Ersatzbeschaffung billigte das Gericht dem Geschädigten nochmals eine zusätzliche Überlegungszeit von drei Tagen zu.
Damit kam es am Ende auf 42 Tage. Die Ansprüche des Geschädigten wurden als gerechtfertigt angesehen. Lediglich die Anmietung eines klassengleichen Fahrzeugs führte bei den Mietwagenkosten zu einem Abzug wegen ersparter Aufwendungen in Höhe von zehn Prozent.
Wer nach einem Unfall die ihm zustehenden Mietwagenkosten vollständig ersetzt bekommen möchte, sollte sich nicht auf Diskussionen mit dem Versicherer des Unfallgegners einlassen, sondern uns zeitnah nach dem Unfall kontaktieren!
Auch bei Mietwagenkosten gilt: Voigt regelt!