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Sind Preiserhöhungen der Werkstatt relevant?

Wer einen Verkehrsunfall erleidet, möchte den entstandenen Schaden reguliert wissen. Doch was passiert, wenn der Schaden nicht repariert wird und der Versicherer auf eine andere, günstigere Werkstatt verweist? Welche Stundenverrechnungssätze werden erstattet, wenn die günstigere Werkstatt dann zwischenzeitlich ihre Preise erhöht? Mit dieser Frage befasste sich der BGH in seinem Urteil vom 18.02.2020 (Az.: VI […]
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05.05.2020
ca. 3 Minuten
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Wer einen Verkehrsunfall erleidet, möchte den entstandenen Schaden reguliert wissen. Doch was passiert, wenn der Schaden nicht repariert wird und der Versicherer auf eine andere, günstigere Werkstatt verweist? Welche Stundenverrechnungssätze werden erstattet, wenn die günstigere Werkstatt dann zwischenzeitlich ihre Preise erhöht? Mit dieser Frage befasste sich der BGH in seinem Urteil vom 18.02.2020 (Az.: VI ZR 115/19).

Was war passiert?

Eine Fahrzeughalterin erlitt im Dezember 2016 einen Verkehrsunfall. Laut Gutachten belief sich der entstandene Schaden auf 5.080,40 Euro. Diesen machte sie beim Haftpflichtversicherer des Unfallgegners geltend. Dass der Versicherer für den Schaden aufzukommen hatte, stand außer Frage.

Streit bestand lediglich bezüglich der Höhe. Der Versicherer regulierte 3.599,91 Euro. Eine Erstattung für die Lackierung des Dachraums und die Beilackierung der Tür sowie einige weitere Positionen lehnte der Versicherer ab. Zudem ließ die Fahrzeughalterin den Schaden nicht reparieren, sondern rechnete fiktiv ab. Daher verwies der Versicherer die Fahrzeughalterin auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt, deren Stundenverrechnungssätze niedriger waren.

Die Fahrzeughalterin gab sich mit den Kürzungen nicht zufrieden und klagte die Differenz von 1.480,49 Euro ein. Das zunächst angerufene Amtsgericht Homburg (Urteil vom 17.07.2018 – Az.: 23 C 84/17 (20)) sprach der Fahrzeughalterin lediglich 205,65 Euro für die (Bei-)Lackierungskosten zu und wies die Klage im Übrigen ab. In der Berufung sprach ihr das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 01.03.2019 – Az.: 13 S 119/18) noch weitere 92,29 Euro für die UPE-Aufschläge zu und wies die Berufung im Übrigen zurück.

Wegen des verbleibenden Schadens ging die Fahrzeughalterin in Revision. Sie wandte sich vor allem gegen die niedrigeren Stundenverrechnungssätze der vom Versicherer benannten Referenzwerkstatt und forderte die Zahlung von 929,50 Euro.

Die Entscheidung des Gerichts

Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht waren von einer zulässigen Verweisung auf die Referenzwerkstatt ausgegangen. Dies gab grundsätzlich auch für den BGH keinen Grund zur Beanstandung. Allerdings teilte er nicht die Auffassung der beiden Vorinstanzen, dass die Stundenverrechnungssätze der Referenzwerkstatt im Zeitpunkt der Verweisung bzw. des Unfallzeitpunkts entscheidend seien.

Das Landgericht war in diesem Fall der Ansicht, dass eine nach der Verweisung erfolgte Preiserhöhung der Referenzwerkstatt unbeachtlich sei. Zwar richte sich der Zeitpunkt der Schadensbemessung (…) nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung, was im Falle einer Klage der letzte mündliche Termin der Tatsachenverhandlung sei. Es wich jedoch zu Gunsten des Versicherers davon ab. Zur Begründung hieß es: Es erscheine daher gerechtfertigt, für die fiktive Schadensabrechnung den Geschädigten so zu stellen, wie wenn er, seiner Schadensminderungspflicht entsprechend, zeitnah die Wiederherstellung durchgeführt hätte. Für die Bemessung des gedachten Wiederherstellungswerts sei dann der Zeitpunkt des Unfallgeschehens maßgeblich. Daher wurden die günstigeren Stundenverrechnungssätze der Referenzwerkstatt angesetzt.

Das Gericht entschied dabei aus Praktikabilitätsgründen. Würde dagegen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt, führte dies zu dem bei der fiktiven Abrechnung unpraktikablen Ergebnis, dass die zum Unfall erhobene Schadensprognose (…) kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung erneut zu überprüfen wäre, um Preisänderungen einbeziehen zu können. Die Interessen der geschädigten Fahrzeughalterin seien dahingehend gewahrt, dass sie ihren Wagen reparieren lassen könnte, so dass die Preiserhöhungen dann Berücksichtigung finden würden. Für die fiktive Abrechnung würde ihr jedoch kein Nachteil entstehen, wenn die Verrechnungssätze vor der Preiserhöhung angesetzt werden würden.

Der BGH sah dies anders. Wie im Ausgangspunkt vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, ist der materiell-rechtlich maßgebliche Zeitpunkt für die Bemessung des Schadensersatzanspruchs (…) der Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung (…). Verfahrensrechtlich ist, wenn noch nicht vollständig erfüllt ist, der prozessual letztmögliche Beurteilungszeitpunkt, regelmäßig also der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, maßgeblich (…). Diese Grundsätze dienen in erster Linie dem Schutz des Gläubigers gegen eine verzögerte Ersatzleistung des Schuldners. Zusätzliche Schäden und eine Verteuerung der Wiederherstellungskosten vor vollständiger Erfüllung, etwa durch Preissteigerungen, gehen deshalb in der Regel zu dessen Lasten (…).

Kanzlei Voigt Praxistipp

Wie dieser Fall zeigt, werden (vor allem) bei fiktiven Abrechnungen gerne Kürzungen vorgenommen. Dies betrifft nicht nur einzelne Reparaturpositionen, sondern auch die zugrunde liegenden Stundenverrechnungssätze. Dabei wird gerne auf eine andere Werkstatt verwiesen, die günstiger ist. Doch ist eine derartige Verweisung an Voraussetzungen geknüpft. Sind diese nicht erfüllt, ist sie unbeachtlich.

Wer sich vor unberechtigte Kürzungen des Versicherers schützen möchte, ist gut beraten, frühzeitig einen Rechtsbeistand ins Boot zu holen. So lassen sich die entscheidenden Weichen rechtzeitig stellen und das Risiko auf Kosten sitzen zu bleiben minimieren. Die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne zur Seite.

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