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Radfahrer gegen Auto – ein interessantes Lehrstück

LG Hamburg (Zivilkammer 6), Urteil vom 01.09.2023, Az. 306 S 35/22

Der Sachverhalt ist schnell berichtet: Ein Autofahrer fuhr sein Auto rückwärts aus der Garage als sich ihm ein – verbotswidrig auf dem Gehweg fahrender – Radfahrer näherte. Kurz vor dem Auto kam der Radfahrer zu Fall und verletzte sich.
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20.10.2023
ca. 3 Minuten

Zu dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg war es gekommen, weil der verurteilte Versicherer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Hamburg (Az. 32 C 481/21) eingelegt hatte. Diese hatte er damit begründet, “dass von einem anspruchsausschließenden Mitverschulden des Klägers (Anm.: Radfahrers) auszugehen sei. Das Amtsgericht habe – zusammengefasst – die Regelungen zum Anscheinsbeweis unrichtig angewandt und rechtsfehlerhaft einen kausalen Verstoß des Klägers gegen § 3 StVO verneint.”

Die genaue Ursache des Unfalls konnten zwar beide Verfahren nicht klären. Aber auch die Behauptung des Radfahrers, das Auto sei aus der Einfahrt „herausgeschossen“ und hätte ihn – der Schrittgeschwindigkeit gefahren sei – vorne rechts getroffen und so zu Fall gebracht, konnte nicht nicht bestätigt werden.

Angaben unzutreffend, Bremse defekt, Fahrrad verkehrsunsicher!

Bestätigen ließ sich dagegen, dass der Radfahrer verbotswidrig auf dem Gehweg gefahren war und sich sein Fahrrad infolge eines Defekts an der Hinterradbremse nicht in einem verkehrssicheren Zustand befunden hatte. Zudem hatte der Radfahrer „im Rahmen seiner erneuten Anhörung selbst einräumen müssen, dass seine vorherigen Angaben teilweise unzutreffend waren.“

Zur Geschwindigkeit des Autos enthält das landgerichtliche Urteil keine Angaben. Es konnte aber davon ausgegangen werden, dass es nicht – wie behauptet – aus der Garageneinfahrt „herausgeschossen“ war.

10 km/h können zu schnell sein!

Das Landgericht kam zu der Erkenntnis, die vom Radfahrer angegebene Geschwindigkeit von 10 km/h sei nicht nur aufgrund der der örtlichen Verhältnisse unangemessen gewesen. Auch die defekte Bremse habe mit dazu beigetragen, dass das Fahrrad nicht rechtzeitig angehalten werden konnte. Dem Radfahrer bescheinigte es zudem, er sei zu schnell und verbotswidrig auf dem Gehweg gefahren.

Bestätigt wurde auch der Verstoß gegen § 23 Absatz 1 StVO, wonach die Verkehrssicherheit eines jeden Fahrzeugs zu gewährleisten ist. Diese war beim Fahrrad aber gerade nicht gegeben.

Mitschuld des Autofahrers: 30%

Das Amtsgericht hatte noch ein Mitverschulden von 40% zu Lasten des Autofahrers gesehen. Das Landgericht kam dagegen zu einem 70%igen Verschuldensanteil des Radfahrers.

Dass der Autofahrer sich überhaupt ein Mitverschulden zurechnen lassen musste lag insbesondere daran, dass er sich „vorsichtig und nur soweit es nötig war, mit seinem Fahrzeug auf den Gehweg vortasten (hätte müssen), bis er diesen so überblicken konnte, dass er eine Gefährdung ausschließen konnte. Dazu zählt auch die Bereitschaft, jederzeit das Fahrzeug zu stoppen und gegebenenfalls rückwärts in die Garage zurückzufahren, sollte dieses zum Schutze anderer Verkehrsteilnehmer geboten sein. Dass der Zeuge (Anm.: Autofahrer) diesen Anforderungen nicht genügt hat, ergibt sich letztlich aus seiner eigenen Aussage, der zufolge der Kläger „auf einmal da war“. Der Kläger kann aber nicht „aus dem Nichts“ erschienen sein.“

Sowohl für das Amts- als auch das Landgericht hatte der Autofahrer daher gegen die Sorgfaltspflichten des § 10 StVO verstoßen. Abgesehen davon hatte sich der Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs ereignet. Die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 7 Absatz 1 StVG war damit gegeben.

Fazit 

Das Urteil verdient unter mehreren Aspekten Beachtung.

Zunächst zeigt es, dass es für die Haftung aus einem Unfall keiner Berührung der beteiligten Fahrzeuge bedarf. Weiter kann es als Beleg dafür gewertet werden, dass es keine automatisierte Rechtsprechung zu Lasten des Autofahrers gibt, wenn es zu einem Unfall zwischen einem Auto und einem Radfahrer kommt und es bestätigt, dass die Regeln des Straßenverkehrs auch für Radfahrer gelten.

Abschließend sei der Satz „Im Übrigen hat der Kläger im Rahmen seiner erneuten Anhörung selbst einräumen müssen, dass seine vorherigen Angaben teilweise unzutreffend waren.“ im Urteil des Landgerichts genannt.

Er zeigt wie wichtig die zutreffende Sachverhaltsaufarbeitung im Prozess ist, damit wahrheitswidrige Behauptungen nicht das Prozessergebnis verfälschen.

Sollten Sie nach einem Unfall in einen Prozess verwickelt werden, weil Sie eigene Ansprüche durchsetzen oder unberechtigte Ansprüche abwehren müssen, sprechen Sie mit uns.

Voigt regelt! 

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