Autofahrer bekommen oftmals von dem Straßentrubel, der um sie herrscht, nur wenig mit. Im Auto sitzend und geschützt von der Karosserie, sind sie weder Wind noch Regen ausgesetzt. Anders dagegen Radfahrer, die darüber hinaus über keine Knautschzone verfügen. Als die schwächeren Verkehrsteilnehmer
genießen Radfahrer zusammen mit Fußgängern einen besonderen rechtlichen Schutz im Straßenverkehr. Doch worin unterscheiden sich Auto- und Radfahrer genau? Und welche Pflichten teilen sie sich?
Grundsätzlich gilt auch für Radfahrer das Rechtsfahrgebot – und zwar sowohl auf der Fahrbahn als auch auf Radwegen. Allerdings dürfen Radfahrer auch einen Meter Abstand vom Fahrbahnrand halten, um die Sturzgefahr durch beispielsweise Abwasserschächte oder unbefestigte Fahrbahnräder zu verringern. Beim Vorbeifahren an parkenden Fahrzeugen kann der Abstand sogar 1,5 Meter betragen.
Nur wenn Radwege auch entgegen der Fahrtrichtung der Straße geöffnet werden, darf auch links gefahren werden. Allerdings erhöht dies das Unfallrisiko und ist daher nur selten der Fall. Kommt es zu einem Unfall, müssen Radfahrer – neben einem Bußgeld – auch mit einer Mithaftung rechnen.
Dies gilt auch in Spielstraßen. Wenn ein Radfahrer in einer Spielstraße ein Auto vorsätzlich überholt, schneidet und ausbremst, muss er sich ein ganz überwiegendes, auch die Betriebsgefahr des überholten Autos überlagerndes Eigenverschulden zurechnen lassen. In einem Beschluss vom 08.02.2024, Az. 7 U 30/23, hat das OLG Hamm hat zwar offen gelassen, ob der Radfahrer durch dieses Verhalten nicht sogar in eine Beschädigung des Rades und seine Verletzung einwilligte. Bemerkenswert ist aber, dass es dies zumindest in Erwägung gezogen hat.
Im Rahmen des Rechtsfahrgebotes sind Radfahrer gehalten, den Schutzstreifen – erkennbar an der gestrichelten Linie und dem Fahrradpiktogramm – zu nutzen. Dieser darf von Autofahrern mitbenutzt werden – wenn Radfahrer dadurch nicht gefährdet werden. Anders sieht es bei Radfahrstreifen – von der Fahrbahn durch einen durchgezogenen Strich – und Radwegen – mit einem Bordstein getrennt – aus. Diese sind für Autofahrer tabu.
Entgegen der landläufigen Meinung besteht für Radfahrer keine grundsätzliche Pflicht Radwege zu benutzen. Lediglich wenn ein blaues Schild mit weißem Fahrrad auf einen Radweg hinweist, muss der Radfahrer auf den Radweg ausweichen. Nur bei Eigengefährdung – durch Scherben, Laub oder Schnee auf dem Radweg – entfällt die Nutzungspflicht. Fehlt ein solches Schild, dürfen Radfahrer den Radweg nutzen, sie müssen es jedoch nicht.
Geparkt werden darf übrigens auf keinem der dreien – auch nicht, um kurz
beim Bäcker Brötchen zu holen. Zum einen dürfen grundsätzlich nur Radfahrer die Radwege nutzen, zum anderen wird die Nutzungspflicht nur dort angeordnet, wo die Benutzung der Straße für Radfahrer zu gefährlich wäre. Ein parkendes Fahrzeug stellt ein Hindernis dar, welches die Radfahrer an Gefahrenstellen dennoch auf die Straße zwingt und sie dadurch gefährdet. Während das Bußgeld früher bis zu 35 € betragen konnte, kann es – nach der Reform des Bußgeldkatalogs 2021 – bis zu 100 Euro kosten. Abgesehen davon, dass das Auto abgeschleppt werden kann, da Radfahrer grundsätzlich nicht damit rechnen müssen, dass der Radweg auch nur teilweise blockiert ist (Verwaltungsgericht des Saarlandes vom 19.09.2016, Az. 6 L 1336/16), ist auch ein Punkt in Flensburg möglich.
Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StVO muss wer abbiegen will, Fahrräder zwar durchfahren lassen, wenn diese auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt dies auch dann, wenn Radfahrer einen neben der Fahrbahn gelegenen, für Radfahrer freigegebenen Gehweg nutzen
Diese Privilegierung von Radfahrern gegenüber abbiegenden Fahrzeugen findet jedoch dann keine Anwendung, wenn der Radverkehr auf einem von der Straße (hinreichend) abgesetzten Radweg fährt, z.B. wenn der für einen Zweirichtungsradweg, der mehrere Meter vor einer innerörtlichen Kreuzung nach außen verschwenkt und durch einen Grünstreifen von der Fahrbahn abgetrennt ist (VG Freiburg, Urt. v. 09.12.2021, Az. 4 K 4099/19)
Quasi ergänzend hat das OLG Saarbrücken hierzu ausgeführt, diese Art der Verkehrsführung diene ersichtlich dem Zweck, dem aus der bevorrechtigten Straße – hier einer Bundesstraße mit schnellerem Verkehr – Abbiegenden zunächst das Einfahren in die einmündende Straße zu ermöglichen und damit zu vermeiden, dass der Abbiegende noch auf der Bundesstraße anhalten muss, um den auf dem seitlichen Geh- und Fahrweg befindlichen Verkehrsteilnehmern den Vorrang beim Überqueren der einmündenden Straße zu gewähren. Eine solche Situation würde den fließenden Verkehr erheblich behindern und bei den dort üblicherweise gefahrenen Geschwindigkeiten mit einer Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer auf der Bundesstraße einhergehen. Die angeordnete Verschwenkung des Geh- und Radweges würde daher ins Leere laufen, wenn gleichwohl im Einmündungsbereich die Vorfahrtsregelung des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StVO fortbestehen würde (OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.07.2023, Az. 3 U 14/23 m.w.N.).
Für Autofahrer gilt nach wie vor die Fahrbahnampel. Doch seit Anfang 2017 hat sich die Rechtslage für Radfahrer verändert: Ist eine separate Fahrradampel – erkennbar an dem abgebildeten Fahrrad – eingerichtet, so ist diese bindend. Fehlt es an einer eigenen Ampel, ist nicht mehr die Fußgängerampel, sondern die Fahrbahnampel zu beachten.
Daher gilt insbesondere für abbiegende Autofahrer besondere Vorsicht: Selbst, wenn die Fußgängerampel Rot zeigt, könnten Radfahrer weiter geradeaus an dem abbiegenden Fahrzeug vorbeifahren. Denn wer abbiegen will, muss Radfahrern Vorrang gewähren, auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren
(§ 9 Abs. 3 StVO).
Um die Gefährdung für Radfahrer zu senken, verfügen manche Ampeln über einen Fahrradaufstellstreifen (Fahrradschleuse
), die von den Autofahrern freizulassen ist. Sehr zum Ärger mancher Autofahrer dürfen Radfahrer darüber hinaus auch wartende Fahrzeuge langsam und umsichtig rechts überholen. Dadurch können sie sich jedoch im Blickfeld der Autofahrer aufstellen, was das Unfallrisiko senkt.
Will ein Autofahrer einen Radfahrer überholen, muss er ausreichend Sicherheitsabstand
einhalten. Vielen Autofahrern ist nicht bewusst, dass der Abstand beim Überholen mindestens 1,5 Meter betragen sollte. Noch weniger bekannt ist, dass diese ab einer Geschwindigkeit von 90 km/h, bei Witterungseinflüssen (wie Starkregen, Schnee oder starkem Wind) oder schlechten Sichtverhältnissen, sowie beim Überholen von Kindern sogar auf zwei Meter steigt.
Zu geringer Abstand kann durch Fehlreaktionen oder den Fahrtwind zu Stürzen und Unfällen führen. In der Regel ist daher ein vollständiger Spurwechsel erforderlich. Wer nicht auf die linke Fahrspur ausweichen kann, darf schlichtweg nicht überholen. Der Seitenabstand gilt übrigens auch für Radfahrer, die andere Radfahrer oder parkende Fahrzeuge (s.a. “Dooring“) überholen oder an – auf dem Radweg stehenden – Mülltonnen vorbeifahren.
Nehmen Sie es lieber etwas zu genau mit den Grundregeln der Straßenverkehrsordnung. Denn § 1 StVO besagt: Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Wenn es also wieder einmal zu einer unklaren Verkehrssituation kommen sollte, nehmen Sie Rücksicht und handeln im Zweifel frei nach dem Prinzip Der Klügere gibt nach.
So können alle Fahrer – ob mit Auto oder Rad – partnerschaftlich am Verkehr teilnehmen. Ansonsten gilt auch hier: Voigt regelt!
PKW-Fahrer haftet für Sturz eines Radfahrers nach erfolgreichem Ausweichen
Mithaftung bei Fahrt entgegen Fahrtrichtung
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Aktualisiert am 08.10.2024