LG Lübeck, Urteil vom 22.01.2024, Az. 1 S 71/23
Bei genauer Betrachtung unterscheiden sich Prüfkalkulationen und Prüfberichte nur marginal voneinander. Beide werden EDV-gesteuert und ohne direkte sachverständige Inaugenscheinnahme des beschädigten Fahrzeugs generiert.
Das Urteil des Landgerichts Lübeck, demzufolge Prüfkalkulationen und Prüfberichte gleichzusetzen sind, kann daher nicht verwundern. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl bei den Prüfberichten der einschlägigen Dienstleister als auch bei der verfahrensgegenständlichen Prüfkalkulation, weder Aussteller noch fachliche Qualifikationen erkennbar sind.
In dem zugrundeliegenden Sachverhalt waren Prüfung und Bewertung zudem nur anhand von Lichtbildern erfolgt und die Reparaturdauer war mit den Worten “in Anbetracht des Schadensbildes (…) ein Zeitraum von 3 Tagen für eine fachgerechte Instandsetzung des Fahrzeugs ausreichend” lediglich pauschal eingeschätzt worden.
Für das LG Lübeck war daher klar:
“Ein solcher Bericht genügt in dieser Allgemeinheit und ohne erkennbare Fachlichkeit den Anforderungen an ein substantiiertes parteiliches (Gegen-)gutachten ganz sicher nicht. Vor diesem Hintergrund war die Klägerin (Anm.: Geschädigte) auch mitnichten gehalten, sich bei der Beauftragung der notwendigen Reparatur im Rahmen der Vorgaben dieser sog. Prüfkalkulation zu halten. Daher kann ihr … auch keine Verletzung einer etwaigen Schadenminderungspflicht vorgeworfen werden.“
Erwähnenswert ist auch ein weiterer Aspekt, der immer wieder übersehen wird. Sachverständige sind – selbst wenn der Geschädigte sie beauftragt hat – nicht dessen Erfüllungsgehilfen. Versäumnisse oder fachliche Fehleinschätzungen gehen daher nicht zu Lasten es Geschädigten, sondern sind Sache des Schädigers. Das Landgericht Lübeck sieht das genauso,
Da Sachverständige beschädigte Fahrzeuge tatsächlich in Augenschein nehmen, was bei Prüfberichten oder Prüfkalkulation fehlt, können letztere die Feststellungen eines sach- und fachgerecht erstellten Sachverständigengutachtens weder infrage stellen noch kippen.
Hinzu kommt, dass die in Bezug genommenen Parameter mitunter nicht stimmen. Exemplarisch seien hier ein Verfahren des AG Köln (Urt. v. 10.08.2022 , Az. 262 C 119/20) erwähnt, bei dem der Kalkulationsbericht unzutreffende Stundenverrechnungssätze des Referenzbetriebes enthalten hatte. Zudem kommt es immer wieder vor, dass wenn ein Versicherer sich auf vorgebliche Reparaturkalkulationen berufen, die bei dem genannten Reparaturbetrieb gänzlich unbekannt sind oder denen Sondervereinbarungen zugrunde liegen.
Wenn das AG Berlin/Mitte Prüfberichte als „Computerausdruck ohne jeden Aussagewert“ eingestuft hat, denen den der Beweiswert oder die Tauglichkeit als zulässiges Beweismittel fehlt, (Az. 108 C 3118/14), kann dem nur zugestimmt werden. Auf Prüfkalkulationen ist dies übertragbar.
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