AG Steinfurt, Urteil vom 18.04.2023, Az. 21 C 260/22
Eigentlich könnte jetzt alles ganz normal ablaufen; eigentlich. Denn das eigene Auto ist nicht in einem Standardfarbton, sondern matt lackiert. Zunächst läuft auch alles ganz normal. Das Fahrzeug wird bei einem etablierten Sachverständigen vorgeführt, dieser begutachtet den Schaden und gibt den Reparaturweg zu Beseitigung des Schadens vor, den die beauftragte Werkstatt dann auch einhält.
Aber obgleich die Werkstatt die Vorgaben des Gutachtens minutiös befolgt und das Fahrzeug einwandfrei wiederinstandgesetzt hat, will der Versicherer des Schädigers weder die Reparaturrechnung vollständig bezahlen noch die Wertminderung anerkennen. Am Ende bleibt daher nur noch die Klage!
In dem entschiedenen Sachverhalt hatte der Sachverständige die Lackierung der gesamten Fahrzeugseite für erforderlich, der Versicherer aber den Schadenaufwand für überhöht gehalten. Auf den ersten Blick kann das sogar plausibel erscheinen. Warum sollte auch wegen eines kleinen Kratzers gleich die ganze Seite lackiert werden? Zudem lassen sich Farbabweichungen ja auch mit einer guten Beilackierung angleichen.
Möglicherweise hatte der Versicherer – im Gegensatz zum Sachverständigen – aber übersehen, dass es hier nicht nur um den Farbton, sondern auch um den Mattgrad grad ging, der sich nicht – im Gegensatz zum Glanzgrad – durch Polieren zwar ändern aber eben nicht anpassen lässt.
Angesichts der Komplexität des Themas, waren die Ausführungen des Sachverständigen entsprechend ausführlich.
Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Bei der Lackierung handele es sich um einen matten 2-Schicht-Unilack.Die Mattheit werde durch den obersten farbigen Decklack oder die Klarlackschicht erzeugt. Die Besonderheit der matten Lackierung sei, dass solche Lacke nicht poliert werden können, weil dann die Oberflächenstruktur zerstört werde und der Lack glänzend werde. Daher sei es nicht möglich, nach einer Lackierung den Glanz- bzw. Mattgrad der Bauteile zueinander final anzupassen. Sollte nach einer erfolgten Lackierung festgestellt werden, dass sich ein Farbtonunterschied zu einem angrenzenden Bauteil ergebe, müsse eine erneute Lackierung erfolgen. Zudem seien graue Farben an sich bereits anfälliger für optisch erkennbare Farbtonabweichungen. Aus der Erfahrung heraus und nach Rücksprache mit verschiedenen Lackierbetrieben sei zu sagen, dass eine einwandfreie Lackierung nur bei Lackierung der gesamten Flanke verlässlich erzielbar sei. Alternativ könnte der Lackierer mit vorher anzufertigenden Musterblechen versuchen, den vorliegenden Mattgrad zu erreichen, was aber aufgrund des Risikos, dass dies nicht gelinge, mit nicht zu erwartenden Kosten einhergehe. Daher sei eine hinreichende Reparatur mit eindeutiger Bezifferung der Kosten nur durch eine vollständige Lackierung der Flanke erreichbar.“
Für das Gericht war dies nicht nur nachvollziehbar, sondern auch überzeugend, weshalb es den Versicherer zur Bezahlung der restlichen Lackier- sowie der durch die Demontage von Front- und Heckstoßfänger verursachten Kosten verurteilte.
Die Entscheidung des AG Steinfurt belegt drei Dinge:
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