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Kann das Folieren von Autoscheiben zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führen?

Immer wieder ergehen Bußgeldbescheide, weil ein Fahrzeug in Betrieb genommen worden ist, obwohl die Betriebserlaubnis - wegen getönter Scheiben - erloschen sei soll (§§ 19 Abs. 5, 69a StVZO, 24 StVG, Lfd.Nr. 214a BKat). Aber was ist wirklich dran an der Sache?
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13.08.2024
ca. 3 Minuten
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Fahrzeug mit dunkel getönten Scheiben

Als sich das Amtsgericht Worms mit dieser Frage zu befassen hatte, vertrat es die Auffassung, dass Anbringen einer Folie an den vorderen Seitenscheiben eines Fahrzeugs führe bei Fehlen einer eine Bauartgenehmigung grundsätzlich zum Erlöschen der Betriebserlaubnis (Az. 3200 Js 34878/18 vom 23. 05.2019). Da sich der Betroffene damit nicht abfinden wollte, legte er Rechtsbeschwerde ein, über die das OLG Koblenz (Az. 3 OWi 6 SsRs 299/19) zu entscheiden hatte.

Die Tönung muss eine Gefahr darstellen!

Im Kern ging es um die Frage, ob ein Verstoß gegen die sich aus § 40 Abs. 1 Satz 3 StVZO ergebende gesetzliche Regelung, wonach Scheiben aus Sicherheitsglas, die für die Sicht des Fahrzeugführers von Bedeutung sind, klar, durchsichtig und unverzerrt sein müssen, zum Erlöschen der Betriebserlaubnis nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StVZO führt, wenn diese Scheiben getönt oder mit Folien beklebt sind.

Das konkrete Vorliegen einer Gefahr ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr reicht es für das Erlöschen der Betriebserlaubnis (§ 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO)  aus, wenn Änderungen an einem Fahrzeug vorgenommen werden, aufgrund derer konkret eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Dass eine solche theoretisch bestehen könnte, genügt nicht (Gesetzesbegründung in VKBl 94, 149).

Nicht jede Änderung führt zum Erlöschen der Betriebserlaubnis

Wird durch eine Änderung lediglich der vorschriftsmäßige Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt, bleibt die Betriebserlaubnis bestehen. Die Möglichkeiten der Zulassungsbehörde sind in diesem Fall gemäß § 5 Abs. 1 FZV auf die Setzung einer angemessenen Frist zur Beseitigung des Mangels oder auf die Beschränkung/ Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr beschränkt (vgl. VG Göttingen, v. 30.09.2009, Az. 1 A 322/07).

Das AG Worms hatte darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei der Anbringung einer Tönungsfolie stets von einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgehe. Das mit der Rechtsbeschwerde befasste Gericht stellte jedoch klar, dass weder das Gesetz noch die Gesetzesmaterialien einen solchen Schluss zuließen. Vielmehr sei ein Automatismus gerade nicht gewollt, wie sich aus der Streichung der früheren Regelung des § 19 Abs. 2 StVZO ergebe, wonach jede Veränderung von Teilen, deren Beschaffenheit vorgeschrieben ist, zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führte.

Die Gefährdungsprognose im Einzelfall ist unverzichtbar!

Entscheidend sei vielmehr das Erfordernis der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer (VKBl 94, 149). Hinweise auf Änderungen, die zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führen, können dem Beispielkatalog des Bundesverkehrsministeriums vom 09.06.1999 (VkBl. 1999, 54) entnommen werden. Die genannten Beispiele geben zwar das Erlöschen der Betriebserlaubnis als Regelfolge an. Der Katalog ist jedoch weder abschließend noch schematisch anzuwenden. Vielmehr ist in jedem Fall eine einzelfallbezogene Gefahrenprognose erforderlich.

Folien, die an Scheiben angebracht werden, die für die Sicht des Fahrzeugführers von Bedeutung sind, müssen zwar in einer amtlich genehmigten Bauart ausgeführt sein (§ 22a Abs. 1 Nr. 3 StVZO). Ist dies nicht der Fall, sind dennoch keinesfalls geringere Anforderungen an eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 19 Abs. 5, 69a Abs. 2 Nr. 1a StVZO, 24 StVGhttps://www.gesetze-im-internet.de/stvg/__24.html zu stellen. Die Prüfung und ggf. Feststellung einer (etwas konkreter) zu erwartenden Gefährdung von Verkehrsteilnehmern (vgl. VKBl 94, 149)  ist selbst dann unverzichtbar.

Hilft es, wenn die Tönung bei der HU nicht beanstandet wurde?

Das AG Siegen hat diese Frage in einem Urteil vom 08.02.2012, Az. 431 OWi 35 Js 2392/11 – 876/11 folgendermaßen beantwortet: “Der bloße Umstand, dass die Rechtswidrigkeit der konkreten Verwendung der Folien vom TÜV-Prüfer übersehen worden ist, ersetzt weder eine Allgemeine Bauartgenehmigung noch eine Einzelgenehmigung (vgl. Urteil VG Göttingen vom 30.09.2009 – Az. 1 A 322/07). Dass die Folie auf den Seitenscheiben bei der Hauptuntersuchung einer gesonderten Prüfung unterzogen worden wäre, behauptet der Betroffene nicht. Daher vermag die beanstandungsfreie Hauptuntersuchung ebensowenig wie die Anbringung der Folie in einer Fachwerkstatt einen Verbotsirrtum gemäß § 11 Abs. 2 OWiG zu begründen, wie dies auch für vergleichbare Fälle des Anbaus von nicht genehmigten Fahrwerksteilen oder anderen sicherheitsrelevanten Zubehörteilen gilt. Die Beteiligung von Fachleuten bei Veränderungen des Fahrzeuges oder die Hauptuntersuchung ohne konkrete Prüfung der Zulässigkeit der vorhandenen Veränderungen schließt die Verantwortlichkeit des Fahrzeugführers und -halters aufgrund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ohne dessen eigene hinreichende Prüfung der Zulässigkeit nicht generell aus.”

Gelten Besonderheiten für Importfahrzeuge?

Nun kann es durchaus passieren, dass privat importierte Fahrzeuge, sei es infolge von Umbauten oder direkt ab Werk über dunklere Verglasungen verfügen, als sie hier zulässig sind. Wurde die Originalscheibe gegen eine dunklere Variante ausgetauscht, so dass sie sich unproblematisch auf eine gesetzeskonforme Variante umrüsten lässt, ist dies auch zu tun.

Etwas anderes könnte – vielleicht – gelten, wenn die dunkle Verglasung serienmäßig ist und Alternativen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand und Kosten beschafft werden können. Ob ein solches Fahrzeug im Einzelfall eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 21; 70 StVZO erhält, ist dann eine Frage des Gutachtens und der jeweiligen Behörde. Dies ist jedoch unwahrscheinlich, da weder die StVZO noch die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) entsprechende Ausnahmen vorsehen. Es bleibt daher eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung.

Bildnachweis: binmassam / Pixabay

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