OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.05.2024, Az. 3 ZU 13/32
Bei der Feststellung der Höhe des ersatzfähigen Schadens haben Unfallgeschädigte ein Anrecht auf die Einschaltung eines Sachverständigen ihrer Wahl. Die Kosten der Einschaltung hat der Versicherer des Unfallverursachers zu ersetzen. Die Erstattungspflicht gilt jedoch nur, wenn das Gutachten auch zu gebrauchen ist. Ist es dies nicht, z.B. weil ein Vorschaden nicht berücksichtigt worden ist und hat der Geschädigte dies zu vertreten, geht der Geschädigte – sind die Kosten seiner Erstellung nicht erstattungsfähig.
Diese Erfahrung musste auch der Geschädigte in dem hier zugrundeliegenden Fall machen, obgleich eigentlich alles klar war. Insbesondere war die Haftungslage eindeutig. Denn das Fahrzeug des Schadenverursachers war beim Rückwärtsfahren aus einer Einfahrt gegen das Heck des Fahrzeugs des Geschädigten gefahren. Die Eintrittspflicht des Versicherers stand daher außer Frage. Problematisch sollte werden, dass das beschädigte Fahrzeug bereits früher einen Schaden im Heckbereich erlitten hatte, das Gutachten des Sachverständigen diesen aber nicht berücksichtigt hatte.
Grundsätzlich dürfen Geschädigte zwar darauf vertrauen, dass die Kalkulation auch Vorschäden berücksichtigt, ohne das hierfür ein besonderer Hinweis erforderlich wäre (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 U 84/18). Aber bestimmte Sorgfaltspflichten muss ein Geschädigter trotz des Sachverständigenrisikos beachten. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf die Unfallbedingtheit des geltend gemachten Schadens und die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast (vgl. zum Werkstattrisiko BGH, Urt. v. 16.01.2024, Az. VI ZR 253/22).
Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Sachverständige bereits ein Gutachten über den Vorschaden erstellt hatte. War ein Vorschaden vorhanden, muss ein Geschädigter das Gutachten daraufhin prüfen, ob dieser im Gutachten auch berücksichtigt worden ist. Sollte er dabei auf einen Passus stoßen, in dem es offensichtlich heißt „Vorschäden seien laut Fahrzeughalter nicht vorhanden“, ist dies zu beanstanden und auf eine entsprechende Berichtigung hinzuwirken. Einwände wie „Das habe ich nicht gesehen“ zählen nicht. Die Obliegenheit auf Vorschäden hinzuweisen besteht übrigens auch dann, wenn der Geschädigte davon ausgeht dieser sei mit Originalteilen vollständig und fachgerecht repariert worden. Besonders problematisch ist, wenn ein Geschädigter wider besseres Wissen die Abwesenheit von Vorschäden behauptet. In diesen Fällen ist regelmäßig Arglist anzunehmen (OLG Bremen, Beschl. v. 14.06.2023, Az. 3 U 41/22 zur Darlegungslast in der Voll- und Teilkaskoversicherung).
Wie das OLG Saarbrücken unmissverständlich festgestellt hat, „gehören Sachverständigenkosten … zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, sofern die Begutachtung des Fahrzeugs zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig war (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13.12.2022, Az. VI ZR 324/21). Ihre Erstattungsfähigkeit hängt grundsätzlich nicht davon ab, ob das Gutachten sich als inhaltlich richtig und für die Anspruchsverfolgung brauchbar erweist. Der Geschädigte muss sich Fehler bei der Schadensermittlung nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen, weil der Sachverständige nicht sein Erfüllungsgehilfe ist. Die Sachverständigenkosten können jedoch dann nicht beansprucht werden, wenn der Geschädigte die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten hat.“
Versicherer und die von ihnen eingeschalteten Dienstleister zweifeln die Richtigkeit der Kalkulation – unabhängig von der Vorschadenproblematik – nahezu planmäßig und schematisch immer wieder an. Geschädigte sind daher gut beraten, wenn sie einen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen.
Von daher gilt auch hier: Kontaktieren Sie uns!
Bildnachweis: Ewan3336 / Pixabay