OLG Schleswig, Beschluss vom 23.04.2024, Az. 7 U 150/23
Ein LKW war mit der vorderen linken Ecke seines des Kastenaufbaus gegen die linke Ecke des Vordaches einer Firmenhalle gestoßen. Dabei wurden sowohl das ca. 15 Jahre alte Vordach als auch der LKW beschädigt. Entscheidend für den Unfall war, dass die lichte Höhe der Durchfahrt mindestens einen halben Meter niedriger war, als der Kastenaufbau des LKW`s. Da das Vordach mit orangefarbenen Ballons gekennzeichnet war, war die geringe Höhe für jeden erkennbar. Der LKW-Fahrer fuhr trotzdem dagegen.
Dass der LKW gegen das Dach gefahren war, stand außer Frage. Auch die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers stand fest. Umstritten war jedoch die Höhe des zu leistenden Schadenersatzes.
Der Versicherer meinte, der geschädigte Betrieb müsse sich wegen der Durchfahrtshöhe von lediglich 2,25 Meter ein Mitverschulden zurechnen lassen und zusätzlich einen altersbedingten Abzug Neu für Alt hinnehmen. Schließlich sei die Dacheindeckung bereits 15 Jahre alt. Und da für das Bauteil „Flachdach doppeltes Pappdach“ von einer Nutzungsdauer von maximal 25 Jahren und für das Bauteil „Vordach“ von maximal 35 Jahren auszugehen sei, sei nur der Zeitwert von 40 % bzw. 57,14 % (für das Vordach) zu ersetzen.
Aus der geringen Höhe konnte der Versicherer keinen Vorteil ziehen. Durch die Kennzeichnung mit orangefarbenen Ballons wardie geringe Höhe ja für jeden unschwer erkennbar. Ein Mitverschulden nach §§ 9 StVG, 254 BGB konnte das Gericht daher nicht erkennen. Vielmehr dürfte der Fahrer des LKW unaufmerksam gewesen sein und damit seine Sorgfaltspflichten aus § 1 Abs. 2 StVO verletzt haben.
Aufgrund des Alters hielt das Landgericht jedoch einen Abzug neu für alt für gerechtfertigt. Denn abgesehen davon, dass das Vordach bereits ca. 15 Jahre alt war, haben Dacheindeckungen mit Dachpappe – im Vergleich zu Ziegel oder Blechdächern – eine geringere Lebensnutzungsdauer. Zudem sind sie anfällig für Undichtigkeiten und müssen regelmäßig gewartet und erneuert werden. Der Ansatz einer Nutzungsdauer von 25 Jahren war deshalb nicht zu beanstanden.
Abzüge aufgrund der Reparatur des Flachdachs, der Blende und der Attika waren nicht vorzunehmen. Die Ausführung mit Respolan und Titanzink führte ohnehin zu einer längeren Lebensdauer. Zudem bildeten das Vordach und die übrige Halle eine bauliche Einheit. Eine Reparatur oder Erneuerung des Vordachs erhöht daher weder den Wert des Gebäudes noch dessen Lebensdauer.
Versicherer sind schnell bei der Hand, wenn es um Abzüge bei der Entschädigung geht. Diese können manchmal zwar durchaus gerechtfertigt sein, müssen sich aber in einem vernünftigen Rahmen halten. zudem zeigt das Urteil, dass nicht jeder Einwand Abzüge rechtfertigt!
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