OLG Frankfurt, Urteil vom 11.05.2023, Az. 1 U 310/20
Sind die Kontrollpflichten nachweislich ordnungsgemäß erfüllt, geht der Anspruchsteller in der Regel leer aus. (Siehe hierzu: Kein Erstattungsanspruch gegen Gemeinde wegen herabgestürztem Ast). Gelingt jedoch der Nachweis einer Pflichtverletzung, stehen die Chancen gut.
So war es auch bei der Eigentümerin eines Kleinwagens, deren Fahrzeug durch einen herabstürzenden Ast total beschädigt wurde. Ausschlaggebend war, dass die Beklagte Stadt ihrer Pflicht zur Gewährleistung der Sicherheit der öffentlichen Wege und Straßen im Stadtgebiet verletzt hatte.
In Hinblick auf den entschiedenen Fall, betraf dies die Pflicht Straßenbäume darauf zu überwachen, ob von ihnen Gefahren ausgehen.
Das OLG Frankfurt hat in seiner Urteilsbegründung einen guten Überblick über die vorhandene Rechtsprechung geliefert.
„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht, wenn sie Straßenbäume regelmäßig auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse beobachtet und eine eingehende Untersuchung dort vornimmt, wo besondere Umstände wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau sie dem Einsichtigen angezeigt erscheinen lassen (U. v. 21.1.1965 – III ZR 217/63; U. v. 4.3.2004 – III ZR 225/03; U. v. 6.3.2014 – III ZR 352/13; U. v. 13.6.2017 – VI ZR 395/16).
Diese Grundsätze sind in oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung dahin konkretisiert worden, dass – unabhängig von besonderen Umständen – eine zweimalige jährliche Kontrolle in belaubtem und unbelaubtem Zustand erfolgen soll (OLG Düsseldorf VersR 1992, 467; 1997, 463; OLG Hamm NJW-RR 2003, 968; OLG Brandenburg OLGR 2002, 411; U. v. 1.7.2008 – 2 U 30/06; OLG München, U. v. 7.8.2008 – 1 U 5171/07).
In neueren Urteilen wird dagegen eine ein- bis zweimal jährlich vorzunehmenden Kontrolle (OLG Brandenburg NJW-RR 2019, 343) oder eine einmal jährlich vorzunehmende Kontrolle (OLG Köln VersR 2010, 1328) verlangt. Das Oberlandesgericht Köln begründet seine Abkehr von der Pflicht zur zweimal jährlichen Kontrolle mit neueren Erkenntnissen, die in der Baumkontrollrichtlinie der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (sog. FLL-Richtlinie) Ausdruck gefunden hätten, wonach das Kontrollintervall differenziert bestimmt werde und gesunde und leicht beschädigte Bäume in der Alterungsphase auch bei erhöhten Sicherungserwartungen des Verkehrs einmal jährlich zu kontrollieren seien. In ähnliche Richtung geht die Entscheidungsbesprechung von Otto zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4.3.2004 – III ZR 225/03 – in VersR 2004, 877.
Dort wird auf eine langfristige Untersuchung in Hamburg hingewiesen, bei der sich ergeben habe, dass eine jährliche Untersuchung in aller Regel ausreiche. Soweit die Klägerin sich vorliegend auf das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 27.8.2015 – 7 U 119/14 – bezieht, steht dieses Urteil mit dem vorgenannten Urteil dieses Gerichts nicht in Widerspruch. Denn in dem Urteil vom 27.8.2015 wird eine zweimalige Kontrolle pro Jahr für Platanen wegen der bei diesen Bäumen vorkommenden Massaria-Krankheit für erforderlich gehalten, also gerade nicht generell für alle Sorten von Bäumen.“
Wie die Rechtsprechungsübersicht zeigt, hat es sich das Gericht mit der Urteilfindung nicht einfach gemacht.
Auf der tatsächlichen Seite war für das Gericht entscheidend, dass sich die Krone des Baums nicht nur als ausgesprochen schütter darstellte, sondern auch ein Totholzbereich vorhanden war. Dem hinzugezogenen Sachverständigen zufolge, konnte sich diese auch nicht erst seit der letzten Regeluntersuchung entwickelt haben, sondern musste in ähnlicher und auffälliger Weise auch bei letzten Kontrolle bestanden haben.
Die wiederholte Beseitigung von Totholz und die Beseitigung von Starkästen in den vorherigen Jahren war, die das gewöhnliche Maß überstiegen hatten, waren weitere Hinweis auf die Beeinträchtigung der Vitalität des Baums. Angesichts dieser Umstände, hätte die Beklagte Kommune den Baum nicht nur jährlich, sondern in kürzerem Abstand kontrollieren müssen. Dies war aber unterblieben.
Da die Pflichtverletzung für das Gericht fest stand, musste die Kommune den Schaden ersetzen. Die ausführliche Begründung zeigt aber auch, dass es eine starre Regel „Ast fällt, Geld regnet“ eben nicht gibt. Wie in allen anderen Sachverhalten, so musste der Schadensersatzanspruch auch hier sorgfältig herausgearbeitet und begründet werden.
Sollte die von einem Baum ausgehende Gefahr nicht – wie in einer Pressemittteilung der Feuerwehr Rotenburg/Wümme beschrieben – rechtzeitig beseitigt worden, sondern der Ast z.B. auf ihr Auto gefallen sein, sprechen Sie mit uns. Wir regeln das für Sie!
Wer haftet für Schäden durch umgefallene Bäume?
Verkehrssicherungspflicht für Bäume an Straßen und Plätzen
Kein Erstattungsanspruch gegen Gemeinde wegen herabgestürztem Ast
Bildnachweis: Feuerwehr Rotenburg/Wümme