Am 17.01.2018 berichteten wir an dieser Stelle und unter dem Titel Wenn der Sensationswahn zur Gefahr für Dritte wird
über die Herausforderungen und Probleme, die das Massenphänomen Gaffer
für die Rettungskräfte mit sich bringt. Zugleich beleuchteten wir die juristischen Aspekte und möglichen Konsequenzen, die das Gaffen und die Anfertigung von Filmaufnahmen mit sich bringen können.
Dass die Öffentlichkeit inzwischen sensibilisiert ist und die Rettungskräfte das Phänomen ernst nehmen, musste jetzt ein 35-Jähriger Mann erfahren, der am 24.01.2018 in Alsdorf eine verunglückte Seniorin filmte. Diese wollte die Luisenstraße in Alsdorf mit ihrem Rollator an einer Fußgängerampel bei Grün
überqueren. Dabei wurde sie von einem LKW angefahren und lebensgefährlich verletzt. Ein in der Nähe anwesender Mann fand das Geschehen so interessant, dass er die verunglückte Seniorin mit seinem Handy filmte.
In der Pressemitteilung der Polizei Aachen heißt es dazu, dass Passanten die Rettungskräfte auf den filmenden “Gaffer” aufmerksam gemacht. Polizeibeamte stellten daraufhin das Handy des Mannes sicher und leiteten ein Strafverfahren ein. Die Filmaufnahmen sollen nun im Zuge der Ermittlungen ausgewertet werden.”
Im Falle einer Verurteilung drohen dem 35-Jährigen eine Geld- oder bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Seniorin Schadenersatz und Schmerzensgeld fordert.
UPDATE
Niedersachsens Justizministerin in ihrer Eröffnungsrede zum 56. Verkehrsgerichtstag in Goslar gefordert, dass das Fotografieren von Unfalltoten und die Veröffentichung der Bilder im Internet künftig unter Strafe gestellt wird!
In einer Presseinformatoin des niedersächsischen Justizministeriums heißt es dazu:
Der Gesetzgeber hat auf das Phänomen, dass sich bei schweren Verkehrsunfällen zunehmend Schaulustige am Unfallort sammeln, um ihre Sensationslust zu befriedigen und dadurch die Rettungskräfte behindern, bereits mit einer neuen Strafvorschrift reagiert”, so Havliza. Offen sei jedoch das Problem, dass Schaulustige verstorbene Unfallopfer mit ihren Smartphones fotografierten oder filmten und diese Aufnahmen anschließend ins Internet einstellten oder über soziale Netzwerke verbreiteten.
Dieses pietätlose Verhalten stellt eine erhebliche Missachtung der Persönlichkeitsrechte der Opfer dar.”
Erläuternd wird ausgeführt, dass die Strafvorschrift des § 201a Absatz 2 Strafgesetzbuch bislang lediglich den lebenden Personen Schutz bietet; Aufnahmen von Toten sind vom Schutzbereich nicht erfasst. Ferner besteht gegenwärtig keine rechtliche Handhabe, die Aufnahmen zu beschlagnahmen, um die drohende Veröffentlichung abzuwenden. Denn unter Strafe gestellt wird bislang lediglich die Verbreitung der Aufnahmen, nicht aber die Fertigung von Aufnahmen selbst (vgl. § 33 Abs. 1 KunstUrhG). Zum Zeitpunkt der Fertigung der Aufnahmen am Unfallort wird aber regelmäßig noch nicht festgestellt werden können, dass der Hersteller der Aufnahmen auch die Absicht hat, die Aufnahmen zu verbreiten. Das ist aber der Zeitpunkt zu dem ein Einschreiten der Polizei stattfinden muss, will man einen effektiven Schutz erreichen.
ETL Kanzlei Voigt Praxistipp
Wir können an dieser Stelle nur erneut empfehlen, sich bei einem Unfall nicht der Sensationslust hinzugeben und zu Filmen, sondern – falls erforderlich – die Unfallstelle abzusichern und Erste Hilfe zu leisten, bis die Rettungskräfte eintreffen. Der Respekt vor den Unfallopfern ist in jedem fall zu wahren – mit oder ohne gesezliche Neuregelung.
Sollten Sie selber in einen Unfall verwickelt oder gar verletzt werden, gehen Sie bei der Abwicklung mit Bedacht vor. Um den Ihnen zustehenden Schadensersatz vollständig zu erhalten, sollten Sie sich nicht dem Schadenmanagement des gegnerischen Versicherers, sondern einem Anwalt anvertrauen.
Bildquelle: Schaulustige – Sei kein Gaffer
© Blickfänger GbR