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Verweiswerkstatt

Informationen
25.10.2024

Geschädigte können nach einem zwischen der konkreten und der fiktiven Abrechnung wählen. Bei der konkreten Abrechnung wird das Fahrzeug entsprechend einem Sachverständigengutachten instand gesetzt, bei der fiktiven Abrechnung lässt sich der Geschädigte den für die Instandsetzung erforderlichen Geldbetrag vom Schädiger / dessen Versicherer ausbezahlen.

Wenn Geschädigte fiktiv abrechnen, verweisen Versicherer gerne auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit. Der Verweis dient der Verringerung der Ersatzleistungen des Versicherers. Liegen die Voraussetzungen für die Verweisung vor, kann der Versicherer auf Grundlage der Stundenverrechnungssätze der Verweiswerkstatt abrechnen.

Zunächst muss die Verweiswerkstatt für den Geschädigten mühelos und ohne Weiteres zugänglich sein (BGH, Urt. v. 07.02.2017,  Az. VI ZR 182/16 ). Zudem muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitäts- und Leistungsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht (BGH, Urt. v. 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09; v. 13.07.2010, Az. VI ZR 259/09; s.a. AG Überlingen, Verfügung v. 17.01.2023, Az. 1 C 142/22; AG Kiel, Urt. v. 17.10.2022, Az. 115 C 261/22).

Zeigt der Geschädigte Umstände auf, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen, ist keine Verweisung möglich.

Erst recht ist eine Verweisung ausgeschlossen, wenn sie sich auf eine Werkstatt bezieht, die nachweislich seit mehreren Monaten nicht mehr existiert (AG Coburg, Urt. v. 16.02.2022, Az. 12 C 1956/21).

Gründe für die Unzumutbarkeit

  • Das beschädigte Fahrzeug ist nicht älter als drei Jahre oder wurde “scheckheftgepflegt” (BGH, Urt. v. 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09)
  • Das beschädigte Fahrzeug wurde nachweislich und regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert. Dies ist insbesondere bei älteren Fahrzeugen von Bedeutung (BGH, Urt. v. 13.07.2010, Az. VI ZR 259/09).
  • Es ist nicht erforderlich, dass die markengebundene Werkstatt dem Fabrikat des Herstellers zugehörig ist. Das Landgericht Trier (Beschl. v. 02.08.2022, Az. 1 S 19/22) hat dies damit  begründet, dass “einer Reparatur in einer Markenwerkstatt – auch wenn sie zu einem anderen Hersteller gehört – gerade deshalb zugebilligt [wird], weil der Markt Fahrzeuge, die ausschließlich in solchen gewartet und repariert werden, höher bewertet als Fahrzeuge, bei denen Reparaturen und Wartungen in „freien Werkstätten“ erfolgt.” 
  • Die Verweiswerkstatt ist nur deshalb günstiger ist als die markengebundene Fachwerkstatt, weil nicht zu marktüblichen, sondern zu – mit dem Versicherer vereinbarten -Sonderkonditionen abgerechnet wird (z.B. BGH, Urt. v. 28.04.2015, Az.VI ZR 267/14).
  • Die Verweiswerkstatt ist für den Geschädigten nicht mühelos und ohne Weiteres erreichbar (BGH, Urt. v. 25.09.2018,  Az. VI ZR 65/18). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie mehr als 20 Kilometer vom Wohnort des Geschädigten entfernt ist (z.B. AG Freiburg/Breisgau, Urt. v. 28.06.2022, Az. 2 C 247/22)  OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.07.2015, Az. 1 U 135/14). “Eine mühelose Erreichbarkeit liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die vom Schädiger benannte Referenzwerkstatt auf öffentlich zugänglichen Straßen nicht mehr als 20 km vom Wohnort des Geschädigten entfernt ist. Dabei kommt es nicht auf die Luftlinie an; auch ist irrelevant, ob sich die benannte Werkstatt im Gemeindegebiet des Wohnorts des Geschädigten befindet.”
  •  Liegt die vom Geschädigten bevorzugte Werkstatt 6,2 km von seinem Wohnsitz entfernt und die vom Schädiger benannte Referenzwerkstatt 21,4 km, ist eine Verweisung mangels müheloser Zugänglichkeit jedenfalls dann unzumutbar, wenn die Referenzwerkstatt keinen von der vorgelegten Kostenkalkulation erfassten Hol- und Bringservice anbietet, der auch eventuelle spätere Nachbesserungen der Reparaturleistung erfasst. (LG Saarbrücken, Urt. v. 13.06.2024, Az. 13 S 85/23)
  • Die Verweiswerkstatt bietet keinen kostenlosen Hol- und Bringdienst an (AG Hamburg Altona, Urt. v. 26.07.2018, Az. 314a C237/17). Allerdings hat das AG Besigheim (Urt. v. 14.03.2022, Az. 3 C 343/21) die Pflicht zu Inanspruchnahme einer Verweiswerkstatt verneint, obgleich diese einen kostenlosen Hol- und Bringservice angeboten hatte (vgl. hierzu auch LG Hagen, Beschl. v. 16.07.2012, Az. 7 S 11/12). Da dies aber augenscheinlich nicht dem Standard der Werkstatt entsprach, sondern maßgeblich auf die Einflussnahme des Versicherers auf die Werkstatt zurückzuführen war, stufte das Gericht dies als unvereinbar mit der Dispositionsbefugnis des Geschädigten ein.
  • Das LG Hamburg hat in einem Urteil vom 04.01.2021 zwar darauf hingewiesen, dass die mühelose Erreichbarkeit nicht von einer starren Kilometergrenze abgängig gemacht werden kann, insbesondere, weil neben der Entfernung auch der zeitliche und der Transportaufwand zu berücksichtigen sind (LG Hamburg, Urt. v. 04.01.2021, Az. 323 S 43/20). Schließlich kann eine, mit dem Auto innerhalb kurzer Zeit erreichbare Entfernung mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln zu einer Tagesreise ausarten (AG Tettnang, Urt. v. 18.06.2021, Az. Yu 3 C 169/21).
  • Dem AG Lübeck zufolge (Urt. v. 09.11.2020, Az. 26 C 759/19), ist eine Verweiswerkstatt dann nicht „mühelos und ohne weiteres erreichbar“, wenn sie „unstreitig 17,3 km vom Wohnort des Klägers entfernt ist, während eine markengebundene Fachwerkstatt sich deutlich näher zum Wohnort des Klägers entfernt befindet. Der Kläger hat daher berechtigterweise eingewandt, dass ihm das Verbringen seines Fahrzeugs in die von den Beklagten vorgeschlagene Werkstatt wegen der Entfernung zum Wohnort unzumutbar ist“ (OLG München, Urt. v. 21.09.2022, Az. 10 U 5397/21 e).
  • Das  OLG sowie das AG München (Urt. v. 21.09.2022, Az. 10 U 5397/21 e; v. 30.11.2020, Az344 C 5810/20) haben die Verweisung an eine Referenzwerkstatt – unter Hinweis auf die aufzuwendende Fahrtzeit – abgelehnt. Die Entfernung zur Werkstatt betrug zwar nur 17,3 km, die Fahrtzeit mit dem ÖPNV aber über eine Stunde.
  • Das Amtsgericht Köln (Urt. v. 10.08.2022, Az. 262 C 119/20) sieht die zulässige Obergrenze bei 20 Kilometern. Beträgt die Distanz vom Wohnsitz des Geschädigten bis zur Verweiswerkstatt sogar über 70 Kilometer, kann der Referenzbetrieb nicht mehr als mühelos erreichbar und damit zumutbar im Sinne der BGH-Rechtsprechung zur Verweisung auf einen Referenzbetrieb angesehen werden.
  • Das Amts- (Hinweisbeschl. v. 14.02.2023, Az. 31 C 151/22) sowie das Landgericht Wuppertal (Beschl. v. 31.07.2019, Az. 8 S 33/18) haben in ihren Entscheidungen zur Unzumutbarkeit nicht nur die Entfernung (23 km), sondern auch die Stauanfälligkeit des zur Verweiswerkstatt zurückzulegenden Wegs  (BAB 46) berücksichtigt. Hinzu kam, dass die Verweiswerkstatt außerhalb des Gerichtsbezirks belegen war, was im Rahmen der Geltendmachung Nachbesserungsansprüchen zu zusätzlichen Komplikationen hätte führen können.
  • Hinzu kommen ökologische Aspekte: „In Zeiten des Klimaschutzes und den zu unternehmenden Anstrengungen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene zur Vermeidung bzw. Reduzierung eines CO2 Ausstoßes, zur Begrenzung von Erderwärmung und Klimawandel erscheint es in höchstem Maße fragwürdig und kontraproduktiv, einem geschädigten Kfz-Eigentümer aufzuerlegen, übermäßig lange Strecken zur Reparatur seines Fahrzeugs zurückzulegen“ (AG Mannheim, Urt. v. 20.02.2020, Az. 3 C 4445/19).

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Verweisungswerkstatt auch tatsächlich in der Lage sein muss, die erforderliche Reparatur fachgerecht durchzuführen. Nachdem ein Versicherer dem Geschädigten lediglich den üblichen Kostenvergleich zugeschickt hatte, den dieser nicht akzeptierte, schrieb das Amtsgericht Überlingen dem Versicherer  folgendes ins Stammbuch: “Vielmehr ist dazulegen, dass die tatsächliche Möglichkeit besteht, dass der Referenzbetrieb die erforderlichen Reparaturarbeiten, i.e. die vollständige fachgerechte, den Leistungsaustausch einer markengebundenen Fachwerkstatt entsprechende Behebung der unfallkausalen Beschädigungen, zu einem niedrigeren Gesamtpreis durchführen würden (AG Überlingen, Urt. v. 17.01.2023, Az. 1 C 142/22).

Prüfberichte taugen nicht als Grundlage für eine Verweisung!

Prüfberichte sind als Grundlage für eine Verweisung unzureichend (AG Berlin-Mitte, Urt. v. 21.05.2021, Az. 101 C 158/20; Urt. v. 10.12.2020, Az. 108 C 3195/19; Urt. v. 21.05.2021, Az. 101 C 158/20).

Als „aus sich selbst heraus nicht nachvollziehbares Zahlenwerk mit einem ebensolchen Abschlusssaldo“, kann ein Prüfbericht einem eigenständigen, aussagefähigen Schadensgutachten nicht das Wasser reichen. Dies gilt nicht zuletzt dort, wo der Prüfbericht einfach nur die Preise austauscht (LG Berlin, Urt. v. 07.08.19, Az. 42 S 66/19).

Als Grundlage für einen Verweis an eine andere Werkstatt könnte er bestenfalls genügen, wenn er ein konkretes schriftliches Angebot der Alternativwerkstatt darstellt, das hinsichtlich der technischen Gleichwertigkeit der Reparatur auch überprüfbar ist (AG Berlin Mitte, Urt. v. 30.04.2021, Az. 101 C 158/20 V). Ein Kriterium kann insbesondere sein, dass eine markengebundene Werkstatten in der Regel nicht nur über ein großes Erfahrungspotential mit der jeweiligen Marke verfüget, sondern auch vollen Zugang zu den Datenbänken der Hersteller hat (AG Berlin Mitte, Urt. v. 09.01.2023, Az. 113 C 86/22).

Themenbezogene Links

Preissteigerungen gehen zu Lasten des Schädigers (BGH, Urt. v. 1.02.2020, Az. VI ZR 115/19)

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Dr. Mathias Allmansberger

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