Ein Rotlichtverstoß – z.B. an einer Kreuzung – liegt vor, wenn gegen das Gebot des § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO ‒ “Halt vor der Kreuzung” ‒ verstoßen wird, ein Fahrzeugführer also bei Rotlicht in den durch die Lichtzeichenanlage gesicherten Bereich einfährt (BGH, Beschl. v. 24.06.1999, Az. 4 StR 61/99; Beschl. v. 30.10.1997, Az. 4 StR 647/96); OLG Hamm, Beschl. v. 02.11.2010, Az. III-4 RBs 374/10). Das Überfahren der Haltelinie alleine reicht daher nicht aus.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat hierzu in einem Beschluss vom 27.01.1994, Az. 2 ObOWi 483/93 folgendes ausgeführt: „Haltlinien bilden eine Ergänzung zu Halt- und Wartegeboten, die durch Zeichen 206, durch Polizeibeamte oder Lichtzeichen gegeben werden, und ordnen an: „Hier halten!“ (§ 41 Abs. 3 Nr. 2 StVO). Ein selbständiges Halt- oder Wartegebot begründen sie nicht, sondern entfalten Wirkung nur, wenn ein solches anderweitig angeordnet ist. Sind sie einer Lichtzeichenanlage zugeordnet, werden sie erst wirksam, wenn die Ampel vor dem durch sie geschützten Bereich bei Gelb eine Wartepflicht oder bei Rot eine Haltepflicht anordnet. Fahrzeugführer müssen dann nicht erst unmittelbar vor der Kreuzung oder einer Fußgängerfurt anhalten, sondern an der Haltlinie, die vor der Ampel angebracht ist.“ Ein einfacher Rotlichtverstoß ist deshalb anzunehmen, wenn die Lichtzeichenanlage beim Vorbeifahren durch einen Betroffenen Rotlicht gezeigt hat (und der Betroffene in den geschützten Bereich eingefahren ist).
Bei einem Verstoß außerhalb einer geschlossener Ortschaft sind nähere Ausführungen zur Dauer der Gelbphase sowie zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie möglicherweise auch dazu erforderlich, wie weit der Betroffene mit seinem Fahrzeug noch von der Ampel entfernt war, als diese von Gelb- auf Rotlicht umschaltete.
Wie das OLG Hamm (Beschl. v. 02.11.2010, Az. III-4 RBs 374/10) ausführt, lässt sich nur bei Kenntnis dieser Umstände entscheiden, „ob der Betroffene bei zulässiger Geschwindigkeit und mittlerer Bremsverzögerung in der Lage gewesen ist, dem von dem Gelblicht ausgehenden Haltgebot zu folgen, was unerlässliche Voraussetzung für den Vorwurf ist, das Rotlicht schuldhaft missachtet zu haben. … Innerhalb geschlossener Ortschaften sind derartige Feststellungen in der Regel entbehrlich, da hier von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und einer Gelblichtdauer von 3 Sekunden ausgegangen werden kann.“
Für die Feststellung der Erfassung der Zeitdauer soll dabei auch deren Erfassung mittels der ungeeichten Stoppuhr des Mobiltelefons eines Polizeibeamten genügen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 19.08.2019, Az. 201 ObOWi 238/19; KG, Beschl.v. 31.03.2004, Az. 3 Ws [B] 116/04).
Das OLG Karlsruhe hat in einem Beschluss vom 07.05.2024, Az. 3 ORbs 330 SsBs 218/24 ausgeführt, dass die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 zunächst Feststellungen darüber enthalten müssen, an welcher konkreten Wechsellichtzeichenanlage sich der Verstoß ereignet hat, wie dieser Bereich verkehrstechnisch gestaltet ist (Fußgängerüberweg, Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, Anzahl und ggf. nähere Ausgestaltung der Fahrstreifen) und welchen Verkehrsbereich die Anlage schützt (Fußgängerfurt und/oder Kreuzungsbereich mit Querverkehr), ebenso ob der Betroffene überhaupt in den geschützten Bereich (Fahrstreifen und Fahrtrichtung des Betroffenen) eingefahren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.2020, Az. IV-4 RBs 46/20).
Sind an einer Ampelanlage Induktionsschleifen verlegt, müssen zumindest die wesentlichen Anknüpfungstatsachen, wie Abstand zwischen Haltelinie und der Induktionsschleifen sowie die Rotlichtzeiten bei Überfahren der Induktionsschleifen angegeben werden, da sich die Berechnung der Rotlichtdauer ohne diese Angaben beim Überfahren der Haltelinie nicht nachvollziehen lässt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.02.2022, Az. 1 Rb 34 Ss 9/22). Etwas Anderes kann allerdings gelten, wenn die Induktionsschleife in der Haltelinie selbst angebracht ist. Bei einer derartigen Konstellation wären Messzeit und der Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie identisch. Aber auch dies ändert nichts daran, dass in einem Urteil sowohl die Messzeit als auch den Lageort der Induktionsschleife dargelegt werden müssen (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 02.04.2014, Az. 1 Ss OWi 59/14 zur Messung der
Rotlichtdauer mit Traffiphot III).
Dem OLG Frankfurt zufolge (Az. 3 Ss-OWi 1048/22, v. 29.09.2022), rechtfertigt ein Rotlichtverstoß mit einem SUV alleine keine erhöhte Geldbuße, auch wenn eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durchaus eine Rolle spielen kann. Das Gericht sieht einen derartigen Ausnahmefall ist allerdings nur dann als gegeben an, “wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls atypischerweise ein Absehen von der Regelwirkung gerechtfertigt ist (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 31. 01.2022, Az. 3 Ss-OWi 41/22)”
Die Zuordnung eines Fahrzeugs zur Klasse der SUV alleine ist indes zu pauschal, da insbesondere eine einheitliche Definition fehlt. Wie das Gericht in seinem Urteil ausführt ausführt, können “auch „PKW herkömmlicher Bauart“ mitunter bis zu zwei Tonnen und mehr wiegen, und beispielsweise ein vom Hersteller Suzuki als SUV angebotenes Modell Jimny aber nur ca. 1075 kg” wiegen. Zu den Fahrzeugmaßen heißt es in dem Urteil: “Selbst wenn man aber eine eher phänotypische Definition wählte (beispielsweise Bodenfreiheit und Höhe), nimmt sich die Gruppe der „SUV“ so heterogen (beispielsweise vom „SUV“ Suzuki Jimny 1075 kg, Höhe 1,705 m, Länge 3,665 m zum Audi Q 7 e-tron 2.520 kg, Höhe1,968 m, Länge 5,05 m) aus, dass ein Schluss von der Gruppenzugehörigkeit auf gefahrrelevante Umstände nicht möglich erscheint – jedenfalls nicht als allgemeinkundig qualifiziert werden könnte.”
Der Tatbestandskatalog (15. Aufl. v. 01.09.2023) sieht für den qualifizierten Rotlichtverstoß zwei Punkte, ein Bußgeld in Höhe von 200 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat vor.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann von einem Fahrverbot nach § 25 StVG aber abgesehen werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wenn dessen Verhängung aufgrund Zeitablaufs nicht mehr geboten erscheint, weil dessen Erziehungsfunktion die warnende Wirkung des Fahrverbots nicht mehr erfordert (vgl. BVerfG-Entscheidung v. 16.07.1969, Az. 2 BvL 11/69; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.01.2023, Az. 1 Rb 36 Ss 778/22; OLG Schleswig, Beschl. v. 22.07.2021, Az. I OLG 135/21).
Voraussetzung ist allerdings, dass die zu ahndende Tat lange (in der Regel mehr als zwei Jahre) zurückliegt, dass die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und dieser sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat.
Siehe auch: Qualifizierter Rotlichtverstoß