Elektrokleinstfahrzeuge sind Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Absatz 2 StVG, da sie über einen elektrischen Antriebsmotor verfügen. Deshalb gelten für sie dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen wie für andere Kraftfahrzeuge.
Am 17.05.2019 hatte der Bundesrat der „Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr und zur Änderung weiterer straßenverkehrs-rechtlicher Vorschriften“ (eKFV) zugestimmt.
Das Bundeskabinett stimmte der Verordnung am 22.05.2019 zu, die dann Mitte Juni 2019 in Kraft trat.
Haftungsrechtliche Probleme
Wie das LG Münster (Urt. v. 09.03.2020, Az. 08 O 272/19) bestätigt hat, führt die Regelung bei E-Scootern – in bestimmten Sachverhaltskonstellationen zu erheblichen Problemen.
E-Scooter sind Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h. Sie unterfallen damit der Ausnahmeregelung des § 8 Nr. 1 StVG. Die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung bei einem Unfall (§ 7 Abs. 1 StVG) ist somit ausgeschlossen. Eine analoge Anwendung scheidet aus. Der eindeutige Wortlaut des § 8 Nr. 1 StVG steht einer verschuldensunabhängigen Haftung entgegen. (AG Frankfurt, Urt. 22.04.2021, Az. 29 C 2811/20 (44); LG Münster vom 09.03.2020, Az. 8 O 272/19).
Wörtlich heißt es in der Entscheidung des AG Frankfurt: “Die Vorschrift des § 8 StVG war dem Gesetzgeber bei Verabschiedung der eKFV bereits bekannt und hätte bei Bedarf bereits zu diesem Zeitpunkt eine Änderung hätte vornehmen können. Insbesondere ist die Regelung, obwohl von derartigen Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr heute eher größere als geringere Gefahren ausgehen, durch das 2. SchadÄndG nicht aufgehoben oder geändert worden”.
Lässt sich ein Verschulden des E-Scooter-Fahrers im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB (d.h. mindestens Fahrlässigkeit) nicht beweisen, haften bei einem Unfall weder der Fahrer noch der Haftpflichtversicherer des E-Scooters.
Dies ist für Geschädigte besonders ärgerlich, wenn der Schadenshergang nicht aufgeklärt werden kann. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein auf dem Gehweg abgestellter E-Scooter gegen ein geparktes Fahrzeug fällt. Denn beim Umfallen eines E-Scooters kann weder im Wege des Anscheinsbeweises auf ein unsachgemäßes Abstellen oder ein sonstiges Verschulden des Abstellenden geschlossen werden, noch besteht eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht dahingehend, dass E-Scooter stets so abzustellen oder zu sichern sind, dass auch beim Umstoßen durch Dritte keinerlei Schäden entstehen können.(AG Berlin-Mitte, Urt. v. 09.05.2023, Az. 151 C 60/22 V).
E-Scooter sind Kraftfahrzeuge
Ungeachtet dessen, sind E-Scooter als Kraftfahrzeuge im Sinne von § 316 StGB einzustufen. In einem Beschluss des LG Köln vom 09.10.2020 (Az. 117 QS 105/20) heißt es dazu wörtlich: „E-Scooter ähneln im Hinblick auf ihre potenzielle Gefährlichkeit einem Kraftfahrzeug. Denn sie sind motorisiert und erfordern durch ihre erheblich schnellere Fortbewegungsmöglichkeit und Beschleunigungsmöglichkeit eine höhere Leistungsanforderung an den Fahrer eines solchen E-Scooters als an den Fahrer eines Fahrrads. Daher ist ihre Fahrweise beispielsweise eher einem Mofa als einem Fahrrad ähnlich.“
Das OLG Zweibrücken hat in einem Beschluss vom 29.06.2021 nachvollziehbar ausgeführt, dass zwar Elektrofahrräder innerhalb der Vorgaben des § 1 Abs. 3 StVG keine Kraftfahrzeuge sind (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.07.2020, Az. 2 Rv 35 Ss 175/20). Für E-Scooter, Segways und andere Fahrzeuge i.S.d. § 1 eKFV (Elektrokleinstfahrzeuge VO) hat es dagegen bekräftigt, dass sie dem Kraftfahrzeugbegriff unterfallen (s.a. BayObLG, Beschl. v. 24.07.2020, Az. 205 StRR 216/20).
Elektrokleinstfahrzeuge und Alkohol
Da Elektrokleinstfahrzeuge Kraftfahrzeuge sind (vgl. BT- Drucksache 158/19 Seite 1 “… sind sie Kraftfahrzeuge nach § 1 Abs. 2 StVG.”; BayObLG NZV 2020, 576), gelten auch hier die allgemeinen Grenzwerte zur Blutalkoholkonzentration für Kraftfahrer (s.a. KG, Beschl. v. 31.05.2022, Az. (3) 121 Ss 40/22 (13/22).
Die Rechtsprechung lehnt eine Anhebung der Grenzwerte für alkoholisierte Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen, namentlich von E-Scootern ab. Begründet wird dies damit, dass auch Führer eines Elektroskooters ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,10 ‰ (absolut) fahruntauglich im Sinne von §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 316 Abs. 1 StGB sind. (z.B. KG Berlin, Urt. v. 10.05.2022, Az. 3 Ss 27/21; LG Stuttgart, Beschl. v. 12.03.2021, Az. 18 Qs 15/21; BayObLG München, Beschl. v. 24.07.2020, Az. 205 StRR 216/20; LG Dortmund, Beschl. v. 07.02.2020, Az. 31 Qs 1/20 allg.). Der BGH (Beschl. v. 02.03.2021, Az. 4 StR 366/20) sowie das LG Halle (Beschl. v. 16.07.2020, Az. 3 Qs 81/20) haben die Frage offen gelassen.
Das Kammergericht Berlin hat sich diesbezüglich – in einem Urteil vom 10.05.2022 (Az. (3) 121 Ss 67/21 (27/21) – auf eine Studie des rechtsmedizinischen Instituts der Universität Düsseldorf berufen.
Wörtlich heißt es in dem Urteil:
“Das rechtsmedizinische Institut der Universität Düsseldorf hat unter Heranziehung von 57 Probandinnen und Probanden die fahrerische Leistungsfähigkeit von E-Scooterfahrern in Abhängigkeit von Alkoholkonsum empirisch untersucht. Die Teilnehmer der Studie mussten einen Parcours, der verschiedene Verkehrssituationen simulierte, mehrfach nüchtern und unter (steigendem) Alkoholeinfluss durchfahren.
Dabei ist festgestellt worden, dass die fahrerische Leistungsfähigkeit der Teilnehmer unabhängig von deren Geschlecht bereits bei geringen Blutalkoholwerten beträchtlich abnahm. Bei einer BAK von 0,21 bis 0,60 ‰ (Anmerkung des Senats: Der Studie ist zu entnehmen, dass die Maßeinheiten g/kg und ‰ gleichgesetzt worden sind) wurde ein erhöhtes Risiko riskanter Fahrweise beobachtet. Ab 0,21 ‰ imponierte eine durchschnittliche Verschlechterung der Fahrleistungen um 43 %, ab 0,81 ‰ um 62 % und ab 1,01 ‰ um 72 %. Ab 0,81 ‰ ist bei den Probandinnen und Probanden in vier von sieben Disziplinen eine signifikante Erhöhung der Fehlerquote, insbesondere bei dem Durchfahren von 1,30 Meter breiten, in einem Slalomkurs angeordneten Toren festgestellt worden. In dem BAK-Bereich, der nach deutschem Recht der Schwelle zur absoluten Fahruntüchtigkeit für Kraftfahrzeugführer am nächsten kommt (1,01 bis 1,20 ‰), war die individuelle Fahrleistung ausweislich der Studie stark herabgesetzt. Deren Verfasser kommen auf der Grundlage dessen zu dem Schluss, dass ab einem Wert von 0,81 ‰ von E-Scooterfahrern eine erhöhte Gefährdung von Fußgängern zu erwarten ist.”
Auch gegen einen alkoholbedingt fahrunsicheren Fahrer eines E–Scooters können die Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet werden (KG, Beschl. v. 31.05.2022, Az. (3) 121 Ss 40/22 (13/22).
Voraussetzung für die Strafbarkeit ist allerdings, dass der Roller aus eigener, d.h. Motorkraft fortbewegt wird. Die Ansichten darüber, ob ein “Gebrauchen” im Sinne von § 6 PflVG vorliegt, wenn ein Kraftfahrzeug durch (betriebs-) fremde Kräfte – beispielsweise durch bloßes Schieben, Ziehen oder durch die eigene Körperkraft – im Verkehr bewegt wird, gehen indes auseinander.
Das LG Hildesheim (Urt. v. 20.09.2022, Az. 13 Ns 40 Js 25077/21) hat dies verneint.
Begründet hat es dies unter anderem wie folgt:
“6 PflVG setzt ein „Gebrauchen“ des Kraftfahrzeugs voraus. Gebrauchen bedeutet die bestimmungsgemäße Benutzung des Kraftfahrzeugs zum Zweck der Fortbewegung. Rechtsprechung dazu, ob das Fortbewegen eines E-Scooters mit bloßer Tretkraft ein Gebrauchen i. S. von § 6 PflVG darstellt, ist, soweit er-sichtlich, bislang nicht veröffentlicht. Auch die Kommentarliteratur verhält sich dazu nicht.
Zu den Fallgestaltungen, in denen ein Kraftfahrzeug mit bloßer Muskelkraft fortbewegt worden ist, werden im Wesentlichen folgende – allesamt ältere – Entscheidungen zitiert:
– Das Kammergericht hat mit Urteil vom 06.09.1973 – 3 Ss 125/73 – (VRS 25, 475) das Fortbewegen eines – unversicherten – Mopeds (Fahrrad mit Hilfsmotor) mit Tretkraft als „Gebrauchen“ i. S. von § 6 PflVG angesehen.
– Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 29.09.1981 – 2 Ss 426/81 – 219/81 II – (VRS 62, 193) entschieden, dass das Fortbewegen eines Mofas, indem sich der Fahrer auf dem Sattel sitzend mit den Füßen vom Erdboden abstößt, nicht unter § 24a StVG (Führen eines Kraftfahrzeugs nach Alkoholkonsum) fällt.
– Mit Beschluss vom 31.01.1984 – 5 Ss 315/83 – 1/84 – (VRS 67, 154) hat das Kammergericht ausgeführt, dass es sich um einen Gebrauch i. S. von § 6 PflVG dann nicht handelt, wenn das Fahrzeug abgeschleppt, von Tieren gezogen, Menschen geschoben oder auf einem anderen Kraftfahrzeug transportiert worden ist.
Alle diese Entscheidungen beruhen auf dem Grundsatz, dass die von Kraftfahrzeugen ausgehende typische Verkehrsgefahr in der Regel fehlt, wenn ein Kraftfahrzeug durch (betriebs-) fremde Kräfte – beispielsweise durch bloßes Schieben, Ziehen oder durch die eigene Körperkraft – im Verkehr bewegt wird. Bei der Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass die typische Gefahr eines E-Scooters darin besteht, dass er viel höhere, gleichbleibende Geschwindigkeiten erzielt als ein einfacher Tretroller und dass der Fahrer dabei zudem anders als beim Tretroller keinen regelmäßigen Bodenkontakt und damit auch weniger körperliche Kontrolle über das Fahrzeug hat. Wird ein E-Scooter hingegen mit bloßer Muskelkraft benutzt, verhält er sich nicht anders als ein für Erwachsene ausgelegter Tretroller. Darin liegt auch der wesentliche Unterschied zum Moped, welches Gegenstand des Urteils des Kammergerichts vom 06.09.1973 (VRS 25, 475) war. Das Kammergericht hatte dazu ausgeführt, dass die von dem Moped ausgehende Gefahr mit Rücksicht auf seine gegenüber einem Fahrrad schwierigere Handhabung, das größere Gewicht und das Vorhandensein eines Benzintanks nicht wesentlich geringer ist, wenn es statt mit Motorkraft mit Tretkraft fortbewegt wird.”
Bejaht haben ein Führen, auch wenn das Fahrzeug – durch Abstoßen mit den Füßen vom Boden, d.h. durch eine Tätigkeit “angetrieben” wird, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 21.03.2016, Az. 11 CS 16.175; v. 17.11.2014, Az. 11 ZB 14.14.1755) oder das OLG Düsseldorf (Urt. v. 29.09.1981, Az. 2 Ss 426/81 – 219/81 II).
So heißt es z.B. in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.11.2014:
“Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 1988 (Az. 4 StR 239/88) kann in Abgrenzung zur bloßen Vorbereitung Führer eines Fahrzeuges nur sein, wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind. Es muss also jemand, um Führer eines Fahrzeugs sein zu können, das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein-oder Mitverantwortung in Bewegung setzen oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenken. Führer ist auch, wer nur einzelne dieser Tätigkeiten vornimmt, jedenfalls solange es sich dabei um solche handelt, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre (BGH, Beschl. v. 18.01.1990, Az. 4 StR 292/89). “
Unter Bezugnahme auf den BGH (Urt. v. 09.07.1959, Az. 2 StR 240/59 heißt es weiter, “dass es auf den “Bewegungsvorgang” oder das “Abrollenlassen” eines Kraftfahrzeugs (Beschl. v. 29.03.1960, Az. StR 55/60) ankommt, wobei der Motorkraft als Ursache der Bewegung keine Bedeutung zukommt. Daher führt auch der, der ein Mofa fortbewegt, indem er sich – auf dem Fahrersattel sitzend – mit den Füßen vom Boden abstößt, ein Fahrzeug (OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.9.1981, Az. 2 Ss 426/81 – 219/81 II).”
Zu Verkehrs-Straftaten im Zusammenhang mit E-Scootern: BGH, Beschl. v. 02.03.2021, Az. 4 StR 366/20.
Inhalte der Elektrokleinstfahrzeugverordnung
Die Grafik des BMVI gibt einen Überblick über wichtige Inhalte der „Elektrokleinstfahrzeugverordnung“
Ergänzendes Material: Deutscher Bundestag