§ 1 der „Verordnung über eine allgemeine Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und ähnlichen Straßen“ (Autobahn-Richtgeschwindigkeits-V) empfiehlt den Führern von Personenkraftwagen sowie von anderen Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,5 t, auch bei günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen nicht schneller als 130km/h zu fahren.
Die Empfehlung bezieht sich auf
– Autobahnen (Zeichen 330.1),
sowie außerhalb geschlossener Ortschaften auf
– andere Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind, und
– Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben.
Obgleich die Richtgeschwindigkeit nur eine Empfehlung ist, führt eine deutliche Überschreitung dazu, dass die Betriebsgefahr der eigenen Fahrzeugs zu Lasten des schuldlos an einem Verkehrsunfall Beteiligten zu berücksichtigen ist ( BGH, Urt. v. 17. März 1992, Az. VI ZR 62/91, OLG Schleswig, Urt. v. 30.07.2009, Az. 7 U 12(/09).
Die Beantwortung der Frage, ab wann eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit gegeben ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Die im Streitfall zuständigen Gerichte haben das anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, weswegen es hier keine einheitliche Rechtsprechung gibt. Das OLG München hat eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit bei einer Geschwindigkeit von 150 km/h (OLG München, Urt. v. 02.02.2007, Az. 10 U 4976/06), das OLG Hamm bei 160km/h (OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2003, Az. 9 U 188/01) verneint. Es gibt aber auch Gerichtsentscheidungen, die bei derlei Überschreitungen einen Mitverschuldenseinwand gelten lassen.
Wer sich nach einem Autobahnunfall bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf die – in einem solchen Sachverhalt grundsätzlich zu verneinende – Unabwendbarkeit gemäß § 7 Abs. 2 StVG berufen will, muss den Nachweis führen, dass es auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit zu einem Unfall mit vergleichbar schweren Schäden gekommen. Sachverhaltsabhängig kann dies dazu führen, dass die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit im Ergebnis zu vernachlässigen ist und vollständig hinter die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Unfallgegners zurücktritt (vgl. OLG München, Urt. v. 02.06.2021, Az. 10 U 7288/20)
Wer auf einer Autobahn schneller als 130 km/h gefahren und in einen Unfall verwickelt worden ist sollte – wie in allen anderen Konstellationen auch – sich nicht dazu verleiten lassen, seine Schuld an dem Unfallgeschehen einzugestehen, indem er seine gefahrene Geschwindigkeit auf Befragen der Polizei angibt. Eine Stellungnahme muss nicht bereits am Unfallort abgegeben werden und für die Einschaltung eines Anwalts ist später immer noch Zeit. Sprechen Sie lieber mit unseren Spezialisten! Voigt regelt!
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