Nach Unfällen kommt es immer wieder vor, dass regulierungspflichtige Versicherer den Schaden nicht sofort ersetzen. Ursachen hierfür können die Notwendigkeit der Aufklärung des Sachverhalts sein oder der Umstand, dass die Entschädigungsleistung hinausgezögert wird, um den Geschädigten zur Annahme eines niedrigen Vergleichsangebots zu bewegen. Da Geschädigte grundsätzlich nicht zur Vorfinanzierung verpflichtet sind, geht diese Taktik zwar – insbesondere beim Nutzungsausfall – immer wieder auch nach hinten los und verteuert den Schaden zu Kasten des Versicherers. Dennoch spielen manche Versicherer immer wieder auch auf Zeit.
Die Gerichte sehen die Sache ziemlich eindeutig. Herr des Verfahrens ist auch hier der Geschädigte und nicht der gegnerische Versicherer und die dem Versicherer einzuräumende Prüffrist ist daher stets auch unter dem Primat der berechtigten Interessen des Geschädigten an einer zügigen Regulierung des Schadens zu sehen. Wenn sich ein Versicherer daher z.B. mit der Anforderung der Ermittlungsakte übermäßig viel Zeit lässt, kann dies nicht zu Lasten des Geschädigten gehen.
Die Ansicht, der zufolge ein Zahlungsanspruch des Geschädigten grundsätzlich nicht fällig wird, bevor der Versicherer die Einsichtnahme in amtliche Ermittlungsakten und die die “nötigen Erhebungen” des Versicherers zu Anspruchsgrund und -höhe abgeschlossen hat (OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.05.2004, Az. 17 W 18/04; OLG Hamm, Beschl. v. 17.11.1987, Az. 20 W 51/87), ist zwar grundsätzlich richtig. Dies kann aber nur dann greifen, wenn der Versicherer den Vorgang nicht ohne triftigen Grund verzögert (OLG Dresden, Beschl. v. 29.06.2009, Az. 7 U 0499/094 O 1781/08; BGH, Urt. v. 17.02.1993, Az. IV ZR 32/92).
Eine starre Regel für die Länge der Prüffrist existiert nicht. „Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und muss regelmäßig nicht ein übermäßiges Zuwarten berücksichtigen, etwa bis nach Einsichtnahme in eine Ermittlungsakte (OLG Saarbrücken, Urt. v.16.11.1990, Az. 3 U 199/89). Vielmehr hat ein Versicherer die Prüfung des Schadens, für den er einzustehen hat, tunlichst zu beschleunigen“ (OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.02.2007, Az. 4 U 470/06-153). Abweichungen von der gerichtspezifischen „Regelfrist“ sind daher sowohl zugunsten aber auch zu Lasten des Versicherers möglich (OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2020, Az. 4 W 640/20).
Keinesfalls dient die Prüffrist dazu, „der Versicherung die erforderliche Zeit zu verschaffen, um ein höheres Restwertangebot einzuholen und eine zu kurze oder sonst unwirksame Fristsetzung hindert den Geschädigten als Herrn des Restitutionsverfahrens ebenso wenig wie die Mitteilung der Beklagten, sie werde das Gutachten überprüfen, daran, umgehend einen Reparaturauftrag zu erteilen oder eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen“ (OLG München, Beschl. v. 31.08.2020, Az.: 10 U 2526/20).
4 – 6 Wochen | |||
OLG Rostock | Beschl. v. 09.01.2021 | Az. 1 W 338/98 | Verkehrsunfall |
OLG Hamm | Beschl. v. 28.10.2020 | Az. 7 U 58/20 | Parkplatzunfall |
OLG Dresden | Beschl. v. 26.10.2020 | Az. 4 W 640/20 | Verkehrsunfall |
OLG Koblenz | Beschl. v. 10.09.2020 | Az. 12 W 326/20 | Verkehrsunfall mit Auslandsbezug |
OLG Frankfurt | Beschl. v. 02.12.2014 | Az. 7 W 64/14 | Verkehrsunfall |
OLG München | Beschl. v. 29.07.2010 | Az. 10 W 1789/10 | Verkehrsunfall |
OLG Stuttgart | Beschl. v. 26.04.2010 | Az. 3 W 15/20 | Verkehrsunfall |
OLG Dresden | Beschl. v. 29.06.2009 | Az. 7 U 499/09 | Verkehrsunfall |
OLG Düsseldorf | Beschl. v. 26.07.2007 | Az. I-1 W 23/07 | Verkehrsunfall |
Maximal 4 Wochen | |||
OLG Saarbrücken | Beschl. v. 17.07.2019 | Az. 4 W 11/19 | Verkehrsunfall mit Auslandsbezug |
OLG Frankfurt | Beschl. v. 06.02.2018 | Az. 22 W 2/18 | Verkehrsunfall |
OLG Saarbrücken | Beschl. v. 25.09.2017 | Az. 4 W 18/17 | Verkehrsunfall mit Auslandsbezug |
LG Aachen | Urt. v. 08.01.1982 | Az. 3 S 365/81 | Verkehrsunfall |
2 Wochen | |||
AG Erlangen | Urt. v. 30.03.2005 | Az. 1 C 1787/04 | Verkehrsunfall |
Voraussetzung dafür, dass die Prüffrist in Gang gesetzt wird, ist dass der Geschädigte sie durch ein spezifiziertes Anspruchsschreiben in Lauf setzt. Damit hier nichts schief geht und die Ansprüche vollständig erfasst und geltend gemacht werden, sollte dies stets einem qualifizierten Anwalt überlassen werden. Dies gilt auch für die Überwachung der Fristen.
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