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Was gilt beim Ausparken auf Parkplätzen?

Landgericht Lübeck, Urteil vom 19.07.2023, Az. 9 O 113/21).

Nicht nur in der Vorweihnachtszeit, auch sonst kann es auf den Parkplätzen und in den Parkhäusern von Einkaufszentren und Innenstädten hektisch zugehen. Glücklicherweise geht meist alles unfallfrei über die Bühne. Dennoch kommt es immer wieder zu Unfällen, z.B. weil es ein Parkhausbesucher bei der Parkplatzsuche oder beim Ausparken eilig hat.
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28.11.2024
ca. 4 Minuten
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Parkplatz eines Einkaufszentrums

So verhielt es sich auch in einem vom Landgericht Lübeck entschiedenen Fall, in dem ein rückwärts ausparkendes Auto mit einem Fahrzeug in der Fahrgasse kollidierte.

Die entscheidenden Fragen waren auch hier: Was gilt beim Rückwärtsausparken und welche Höchstgeschwindigkeit darf in einem Parkhaus gefahren werden?

Beim Rückwärtsausparken ist besondere Vorsicht geboten!

Wer rückwärts aus einer Parktasche ausparkt, muss sich so verhalten, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird.  Im Rahmen der sogenannten Pflichtenkonkretisierung ist dann die Wertung des § 9 Abs. 5 StVO zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 15.12.2015, Az. VI ZR 6/15).

Das Auto muss sofort angehalten werden können!

Rückwärtsfahrende müssen sich grundsätzlich so verhalten, dass sie ihr Fahrzeug erforderlichenfalls sofort zum Stehen bringen können. Dies ist schon deshalb von Bedeutung, weil bei einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug dessen Fahrer sich auf ein unfallursächliches Verschulden des Rückwärtsfahrenden berufen kann und die Grundsätze des Anscheinsbeweises gegen den „Rückwärtsfahrer” gelten (vgl. z. B. OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.10.2014, Az. 4 U 46/14).

Bei Unfällen beim Zurücksetzen greift der Anscheinsbeweis!

Denn steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignet hat, der Rückwärtsfahrende also zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht stand, spricht bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und dadurch den Unfall (mit-)verursacht hat (BGH, Urt. v. 11.10.2016, Az. VI ZR 66/16; v. 26.01.2016, Az. VI ZR 179/15).

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die erhöhte Sorgfaltspflicht ohnehin nur rückwärtsfahrende Fahrzeugführer betrifft. Was seitlich parkende Fahrzeuge betrifft, gilt nur die jedem Verkehrsteilnehmer obliegende allgemeine Rücksichtnahmepflicht des § 1 Abs. 2 StVO (z.B. OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.05.2004, Az. 1 Ss 182/04).

Die Begründung ist darin zu sehen, dass § 9 Abs. 5 StVO primär die besondere Sorgfaltspflicht gegenüber dem fließenden Verkehr regelt. Der mit dem fließenden – und deshalb in der Regel rascheren – Verkehr verbundenen erhöhten Unfallgefahr soll durch eine gegenüber der allgemeinen Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO gesteigerte Sorgfaltspflicht desjenigen begegnet werden, der im fließenden Verkehr rückwärtsfährt oder in diesen Verkehr rückwärts einfährt (s.a. OLG Hamburg, Beschl. v. 12.11.1999, AZ. II – 110/99, zum Rückwärtsfahren auf einer Richtungsfahrbahn im Zu- und Ausfahrtbereich einer öffentlichen Tiefgarage.

Spannend wird es auch, wenn zwei Fahrzeuge kollidieren, während sie gleichzeitig aus gegenüberliegenden Parktaschen zurücksetzen (Rückwärts aus der Parklücke: Bei Kollisionen gilt nicht immer die 50%ige Haftungsquote!).

Tankstellen sind keine Parkplätze

Wer auf einem Tankstellengelände rückwärts fährt, beispielsweise an einer Zapfsäule, und dabei mit einem dahinter stehenden Fahrzeug kollidiert, muss sich daher nur einen einfachen Sorgfaltsverstoß vorwerfen lassen. Denn hier ist nicht das Bestreben nach möglichst zügiger Ortsveränderung entscheidend, sondern das Befahren des Tankstellengeländes dient dem Aufsuchen von Tanksäulen oder sonstigen Einrichtungen der Tankstelle (OLG Dresden, Beschl. v. 11.12. 2006, Az. Ss (OWi) 650/06).

Kann der Blick auf den Monitor der Rückfahrkamera entlasten?

Die Antwort lautet:  „Hilfsmittel wie Rückfahrkameras sind nützlich, eignen sich aber meistens nur dazu, das Parken zu erleichtern und die Stoßstange zu schonen. Einen großzügigen Überblick auf die rückseitige Fahrbahn, der für ein gefahrloses Rückwärtsfahren notwendig ist, liefern die Rückfahrkameras nicht. Daher sind diese Hilfsmittel als ergänzende Unterstützung heranzuziehen. Ein Verlass ausschließlich auf diese ist aber nicht ausreichend“ (siehe: Rückfahrkamera oder Blick nach hinten?).

Selbst eine Einstellung, die das Fahrzeug nur von oben in der sogenannten „Vogelperspektive“ zeigt, führt nicht zwangsläufig zu einem erhöhten Mitverschulden. Denn die Wirkung einer Rückfahrkamera ist ohnehin begrenzt, sodass sich die Wahl der „falschen“ Perspektive über die festgestellte Pflichtverletzung des unvorsichtigen Einparkens hinaus nicht zwingend auf den Unfall auswirken muss. Zum anderen muss der Unfallgegner beweisen, dass tatsächlich eine von vornherein ungeeignete Kameraeinstellung gewählt wurde.

Abgesehen davon, dass auch hier bloße Behauptungen nicht ausreichen, gibt es Rückfahrkameras mit verschiedenen Winkeln und Einstellungen, die unterschiedliche Erfassungsbereiche abdecken können. Behauptet der Unfallgegner, es sei die „falsche” Einstellung gewählt worden, muss er dies beweisen. Wer vor Ort zu viel redet und nicht aufpasst, kann sich leicht in die Nesseln setzen. Aber abgesehen davon darf man sich der gängigen Rechtsprechung zufolge ohnehin nicht allein auf die Rückfahrkamera verlassen.

Es darf nur mit angepasster Geschwindigkeit gefahren werden!

Grundsätzlich muss auf Parkplätzen immer mit Ein- und Ausparkvorgängen anderer Autofahrer zu rechnen. Auch Autofahrer in der Fahrgasse haben daher erhöhte Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten zu beachten.

Als Faustregel gilt: Die sich ständig wechselnden Verkehrssituationen auf einem Parkplatz erfordern insbesondere die Einhaltung von Schrittgeschwindigkeit und ständige Bremsbereitschaft. Schrittgeschwindigkeit bedeutet dabei eine sehr langsame Geschwindigkeit, die der eines normal gehenden Fußgängers entspricht, also in der Größenordnung von 4 bis 7 km/h (OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2017, Az. I-1 U 97/16; Urt. v. 15.09.2015, Az. I-1 U 265/14; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 28.03.1996, Az. 2 S 10597/89: Schrittgeschwindigkeit in Fahrgasse 5 km/h: Haftung noch 60 : 40 zu Lasten des Rückwärtsfahrenden bei grobem Verschulden des Rückwärtsfahrenden; KG VerkMitt. 1984, Nr. 36: im Parkhaus nicht schneller als 10 km/h; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.01.1990, Az. 2 U 23/89: Geschwindigkeit von 15 km/h bis 20 km/h.

Auch Baggerfahrer müssen Rücksicht nehmen!

Als “Special” sei angemerkt, dass wenn ein Bagger auf einem offen zugänglichen Betriebsgelände rückwärts gefahren wird, ohne dass andere Nutzer des Betriebsgeländes (z. B. Arbeiter, Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrzeugführer) von den von Betriebsfahrzeugen ausgehenden Gefahren ausgeschlossen sind, als spezifische Ausprägung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots die Kardinalpflichten des § 9 Abs. 5 StVO beachtet werden müssen (OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2024, Az. 7 U 150/23, in Fortschreibung zu Parkplatzunfällen nach BGH, Urt. v. 17.01.2023, Az. VI ZR 203/22; BGH, Urt. v. 15.12.2015, Az. VI ZR 6/15; OLG Hamm, Beschl. v. 09.02.2023, Az. I-7 U 3/23)

Fazit

Die Rechtsprechung zu Parkplatzunfällen zeigt, dass das Fahren auf Parkplätzen besondere Rücksicht und Aufmerksamkeit erfordert. Außerdem ist die Klärung der Verschuldensfrage und damit der Haftung alles andere als einfach. Wer in einen Parkplatzunfall verwickelt wurde, sollte sich daher weder vom Unfallgegner einschüchtern lassen noch zu einem vorschnellen Schuldeingeständnis verleiten.

Besser ist es uns zu kontaktieren und dem Unfallgegner zu antworten Voigt regelt das für mich!

Bildnachweis: moinzon / Pixabay

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Aktualisiert am 21.05.2025

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