In der Ruhe liegt die Kraft!
Verboten ist Kolonnenspringen nicht (z.B. OLG München, Urt. v. 24.02.2017, Az. 10 U 4448/16), auch wenn es das OLG Celle – in einem Urteil vom 03.06.1965, Az. 1 Ss 158/65 – anders beurteilt und einen Verstoß gegen § 1 StVO gesehen hat. Denn Kolonnenspringen belästige andere, die ebenfalls „in einer Schlange langsam ihrem Ziel entgegenschleichen … müssen”.
Dies erscheint auf den ersten Blick auch nachvollziehbar. Zutreffen dürfte es aber nur, wenn der Wechsel der Fahrstreifen das Maß einer bloßen „Belästigung“ überschreitet und / oder andere Verkehrsteilnehmer gefährdet; denn § 5 Abs. 4 S. 1 StVO gilt auch für Kolonnenspringer.
Der BGH hat die Grundsätze bereits 1968 zusammengefasst (Beschl. v. 03.05.1968, Az. 4 StR 242/67).
Demzufolge darf
1. wenn auf beiden Fahrspuren Kolonnenverkehr herrscht,
2. wenn die auf der Überholspur fahrende Kolonne zum Stehen gekommen ist. Dann dürfen die auf der Normalspur fahrenden Fahrzeuge mit äußerster Vorsicht und mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h vorfahren.
3. wenn die linke Kolonne nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 60 km/h fährt. Aber auch dann darf auf der Normalspur nur mit äußerster Vorsicht und mit einer Mehrgeschwindigkeit von höchstens 20 km/h vorgefahren werden.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat hinzugefügt, „Ein Kraftfahrer, der innerhalb einer sich auf der Überholspur einer Autobahn vorwärtsbewegenden Kolonne fährt, darf nicht in der Absicht, sich alsbald wieder in diese Kolonne einzureihen, auf den rechten Fahrstreifen hinüberlenken und dort einige in der Kolonne fahrende Fahrzeuge rechts überholen; dies gilt auch dann, wenn die Geschwindigkeit der Kolonne nicht mehr als 60 km/h und die Mehrgeschwindigkeit des Überholenden nicht mehr als 20 km/h beträgt“ (Beschl. v. 18.08.1978, Az. 1 Ob OWi 454/77).
Bezeichnenderweise hatte dasselbe Gericht kurz zuvor (Beschl. v. 27.10.1977, Az. 1 Ob OWi 555/77) festgestellt, „dass auf Autobahnen eine auf der Überholspur stehende oder sich mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 60 km/h vorwärts bewegende Kolonne auch von einzelnen Fahrzeugen rechts überholt werden, falls hierbei eine (Mehr-)Geschwindigkeit von 20 km/h nicht überschritten und größte Vorsicht angewandt wird.“ Ein Überholverbot hatte es nur für die Konstellationen angenommen, „wenn sich der Verkehr auf eine nur einspurig zu durchfahrende Engstelle zubewegt und sich aus diesem Grunde die vorausfahrenden Fahrzeuge bereits sämtlich auf der (allein an der Engstelle vorbeiführenden) Überholspur eingeordnet haben“.
Die Diskussion soll hier nicht weiter vertieft werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass – insbesondere in Baustellen und an Engstellen – auf der rechten Spur fahrende Verkehrsteilnehmer nicht dazu verpflichtet sind, stets am äußersten rechten Rand zu fahren, um riskante Überholmanöver zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.1980 – VI ZR 86/79). Kommt es zu einer Kollision, kann daher der Kolonnenspringer die Alleinschuld zu tragen haben. Er hat dann nicht nur seinen eigenen Schaden zu tragen, sondern muss zudem auch den des Überholten ersetzen (LG Ellwangen, Urt. v. 20.03.2024, Az. 1 S 70/23).
Die Ausführungen können nur einen kleinen Überblick über die rechtliche Situation und die Verhaltensregeln bei einem Stau auf einer Autobahn geben. Zudem kommt es auch hier auf die Umstände des Einzelfalls an. Denn grundsätzlich darf in bestimmten Situationen auf Autobahnen rechts durchaus schneller gefahren werden als links (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.02.1982, Az. 5 Ss OWiG 569/81 I).
Das Team von VOIGT REGELT wünscht Ihnen eine stau-, unfall- und knöllchenfreie Fahrt.
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Was ist bei der Wahl des Fahrstreifens zu berachten?
Die Benutzung der Fahrstreifen ist in § 7 Zff. 3 – 5 StVO geregelt.
(3) Innerhalb geschlossener Ortschaften – ausgenommen auf Autobahnen (Zeichen 330.1) – dürfen Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 3,5 t auf Fahrbahnen mit mehreren markierten Fahrstreifen für eine Richtung (Zeichen 296 oder 340) den Fahrstreifen frei wählen, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 nicht vorliegen. Dann darf rechts schneller als links gefahren werden.
(3a) Sind auf einer Fahrbahn für beide Richtungen insgesamt drei Fahrstreifen durch Leitlinien (Zeichen 340) markiert, dann dürfen der linke, dem Gegenverkehr vorbehaltene, und der mittlere Fahrstreifen nicht zum Überholen benutzt werden. Dasselbe gilt für Fahrbahnen, wenn insgesamt fünf Fahrstreifen für beide Richtungen durch Leitlinien (Zeichen 340) markiert sind, für die zwei linken, dem Gegenverkehr vorbehaltenen, und den mittleren Fahrstreifen. Wer nach links abbiegen will, darf sich bei insgesamt drei oder fünf Fahrstreifen für beide Richtungen auf dem jeweils mittleren Fahrstreifen in Fahrtrichtung einordnen.
(3b) Auf Fahrbahnen für beide Richtungen mit vier durch Leitlinien (Zeichen 340) markierten Fahrstreifen sind die beiden in Fahrtrichtung linken Fahrstreifen ausschließlich dem Gegenverkehr vorbehalten; sie dürfen nicht zum Überholen benutzt werden. Dasselbe gilt auf sechsstreifigen Fahrbahnen für die drei in Fahrtrichtung linken Fahrstreifen.
(3c) Sind außerhalb geschlossener Ortschaften für eine Richtung drei Fahrstreifen mit Zeichen 340 gekennzeichnet, dürfen Kraftfahrzeuge, abweichend von dem Gebot möglichst weit rechts zu fahren, den mittleren Fahrstreifen dort durchgängig befahren, wo – auch nur hin und wieder – rechts davon ein Fahrzeug hält oder fährt. Dasselbe gilt auf Fahrbahnen mit mehr als drei so markierten Fahrstreifen für eine Richtung für den zweiten Fahrstreifen von rechts. Den linken Fahrstreifen dürfen außerhalb geschlossener Ortschaften Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 t sowie alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger nur benutzen, wenn sie sich dort zum Zwecke des Linksabbiegens einordnen.
(4) Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).
(5) In allen Fällen darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.