Urteil des OLG München vom 06.04.2022, Az. 10 U 627/21
Diese Erfahrung mussten auch ein zwei Autofahrer machen, deren Fahrzeuge kollidierten, als der eine zu und der andere von einer Zapfsäule weg fahren wollte. Da sie sich nicht über den Schadensersatz einigen konnten, folgte ein Rechtsreit über zwei Instanzen, der vor dem OLG München endete.
Dieses schrieb – anders als zuvor das LG Ingolstadt – jedem der Beteiligten ein bedeutendes Mitverschulden in ein Stammbuch. Denn offenbar hatte sich der Autofahrer, der von der Zapfsäule angefahren war, nicht hinreichend vergewissert, ob sich von hinten kein anders Fahrzeug näherte und derjenige, der zu einer freien Zapfsäule gelangen wollte, war mit 15 km/h für das Tankstellengelände zu schnell unterwegs gewesen. Beide Fahrzeugführer hätten sich damit nicht angemessen verhalten.
Das OLG München stellte jedenfalls fest, das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme aus § 1 II StVO gelte auch auf Tankstellengeländen. Diese seien – einem Parkplatz vergleichbare -Verkehrsflächen (vgl. LG Lübeck, Urt. v. 28.07.2017 – 6 O 67/15; LG Köln, Urt. v. 10.05.2016, Az. 11 S 360/15), auf denen die Aufmerksamkeit der Autofahrer z.B. “durch die Suche nach einer freien Zapfstelle oder nach einer sonstigen Einrichtung ist (z. B. Werkstatt, Waschstraße, Verkaufsraum, Luftdruckmeßgerät) beeinträchtigt“ sei. Folglich seien sie deshalb mit denjenigen zu vergleichen, die einen freien Parkplatz suchten.
Die Zweckbestimmung eines Tankstellengeländes führt dazu, „dass sich dort jeder Verkehrsteilnehmer nur mit besonderer Umsicht und insbesondere angepasster Geschwindigkeit bewegen darf, weil er mit situationsbedingten Unaufmerksamkeiten anderer Tankstellenbesucher rechnen muss” (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.06.2001, Az. 1 U 126/00; für Großparkplätze OLG Nürnberg, Urt. v. 28.07.2014, Az. 14 U 2515/13).
Wer dies nicht beachtet oder in einen Unfall verwickelt wird, dem drohen gerichtliche Streitigkeiten, die sich eben auch über mehrere Instanzen ziehen können.
Wie bei allen anderen Unfällen oder straßenverkehrsrechtlichen Problemen gilt auch hier: Voigt regelt!