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Bußgeld schon bei kurzzeitigem Abstandsverstoß?

§ 4 Abs. 1 StVO schreibt vor, dass der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug so groß sein muss, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich abbremst. Bei normaler Fahrt ist dies in der Regel ja auch unproblematisch möglich. Allerdings existieren eben auch Situationen, in denen dies nicht der Fall ist. Der Artikel erläutert, was in solchen Situationen gilt!
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23.06.2021
ca. 3 Minuten
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§ 4 Abs. 1 StVO zufolge, muss der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich abbremst. Bei normaler Fahrt ist dies in der Regel ja auch unproblematisch möglich. Allerdings existieren eben auch Situationen, in denen dies nicht der Fall ist. Umso ärgerlicher ist es dann, wenn die Unterschreitung des Mindestabstands just in einem solchen Moment und auf einer relativ kurzen Strecke gemessen wird.

Wie lang muss eine Messtrecke sein?

Wie lang die gefahrene Strecke für eine bußgeldrechtlich relevante Abstandsunterschreitung sein muss, ist gerichtlich bisher nicht eindeutig geklärt. Eine Tendenz ist allerdings hinsichtlich der Messdauer zu erkennen.

Das OLG Hamm  hat eine Messstrecke von 100 Metern (Beschl. v. 22.12.2014, Az. III-3 RBs 264/14), das AG Landstuhl eine solche von 50,5 Metern Länge (Urt. v. 07.03.2016, Az. 2 OWi 4286 Js 981/16) für ausreichend gehalten. Das AG Mannheim sah eine Messstrecke von 47,7 Metern – die in 1,84 Sekunden passiert wurde – hingegen nicht als ausreichend an, da es eine toleranzfreie Übertragung der Messergebnisse auf den Fernbereich als fragwürdig beurteilte (Urt. v. 21.12.2015, Az. 21 OWi 509 Js 22807/15). Der sachverständig begründeten Ansicht des Gerichts zufolge, sei eine Beobachtungsdauer von mindestens drei Sekunden nicht nur erforderlich, sondern auch machbar. Bezogen auf die Kürze der Zeit heißt es in dem Urteil überzeugend: „Dies wäre vergleichbar dem Vorwurf eines Rotlichtverstoßes, weil die eigene Lichtzeichenanlage grün anzeigte. Solange jedoch nicht nachgewiesen werden kann, dass ein Kraftfahrzeug die Haltelinie bei Rot überfuhr, steht nur eine begründete, aber nicht nachgewiesene Ordnungswidrigkeit im Raum, die mangels sicheren Nachweises nicht geahndet werden kann.“ In einem weiteren Beschluss führte das Gericht aus, dass Zweifel an einer vollumfänglichen und objektiv überprüfbaren Messung von 0,8 Sekunden Dauer angebracht seien, wenn ausschließlich die Herstellerfirma Zugriff auf die Rohdaten hat (AG Mannheim, Beschl. v. 14.12.2015, Az. 21 OWi 508 Js 33645/15).

Was ist, wenn die Unterschreitung nur von kurzer Dauer war?

Einigkeit besteht für die Gerichte darin, dass § 4 Abs. 1 StVO eine „nur ganz vorübergehende“ Abstandsunterschreitung nicht kennt. Übereinstimmend kann es für alle Gerichte „auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung nur dann ankomme(n), wenn Verkehrssituationen in Frage stünden, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne“ (z.B. AG Landstuhl, Urt. v. 20.04.2021, Az. 2 OWi 4211 Js 1233/21, m.w.N.).
Für alle übrigen Konstellationen gilt, dass eine vorwerfbare Abstandsunterschreitung gem. §§ 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO; § 24 StVG – unabhängig von der konkreten Dauer – immer dann vorliegt, wenn ein Fahrzeugführer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand unterschreitet“ (z.B. OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschl. v. 17.08.2017, Az. 2 Ss (OWi) 220/17; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.09.2016, Az. ). Eine Verurteilung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn das Vorliegen von den Betroffenen entlastenden Umständen geprüft und konkret ausgeschlossen werden konnte (z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2014, Az. 3 RBs 284/14; OLG Rostock, Beschl. v. 18.08.2014, Az. 21 Ss OWi 144/14 (B)). Ein probates Mittel hierfür ist z.B. die Einsichtnahme von Messvideos für den Fernbereich.

Zusammenfassung

Wer einen Anhörungsbogen wegen eines Abstandsverstoßes erhält, sollte diesen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn selbst wenn das Bußgeld in Einzelfall moderat erscheinen kann, drohen im Regelfall mindestens ein Punkt und im Extremfall bis zu drei Monate Fahrverbot. Grundsätzlich gilt daher auch hier: Mit einem fachkundigen anwaltlichen Blick in die Akte lassen sich möglichen Konsequenzen nicht nur erkennen, sondern mit einer entsprechenden Verteidigungsstrategie auch immer wieder abwenden.

Übrigens

Bei der Abstandsmessung wird nicht nur auf den Abstand, sondern auch auf andere bußgeldrelevante Vergehen geachtet. Dies gilt insbesondere die Nutzung von Mobiltelefonen und anderen elektronischen Geräten.


Bildnachweis: Polizeipräsidium Südhessen

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