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Was tun bei einer Engstelle?

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.09.2023, Az.  7 U 99/22

Sommerzeit ist Reise- und Bauzeit zugleich. Denn Autobahnen werden gerade im Sommer an vielen stellen zu Baustellen, mit entsprechenden Unfällen und Staus. Dabei lassen sich Unfälle oft mit Geduld, Gelassenheit und ein wenig Aufmerksamkeit vermeiden.
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16.07.2024
ca. 3 Minuten
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Dies gilt universell und da die Schuld an einem Unfall oft nicht eindeutig zugeordnet werden kann, sondern zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden muss, sind Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme, wie § 1 StVO dies fordert, in jedem Fall gute Begleiter.

So war es auch bei einem Unfall, bei dem zwei Fahrzeuge an einer Engstelle miteinander kollidiert waren und die Fahrer sich gegenseitig die Schuld gaben. Da weder die Angaben der Unfallbeteiligten noch das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten weiterhelfen konnten, musste die Beweisaufnahme wiederholt werden. 

Spurwechsel erfordern Aufmerksamkeit!

Dabei stellte sich heraus, dass sich keiner der Beteiligten wie ein Idealfahrer verhalten hatte und der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis war (§ 17 Abs. 3 StVG).

Der Fahrer, der von links nach rechts wechselte, gab an, das Fahrzeug des Klägers auf der rechten Spur erst unmittelbar vor der Kollision gesehen zu haben.

Dem Sachverständigen zufolge, hätte er das Fahrzeug aber nicht nur sehen, sondern auch erkennen können, dass es mit deutlich geringerer Geschwindigkeit unterwegs war. Zudem war aufgrund der „Einengungstafel“ (Richtzeichen 531 nach Anlage 3 zu § 42 StVO) klar, dass das Fahrzeug des Klägers zeitnah auf den rechten Fahrstreifen wechseln musste. „Ein Idealfahrer hätte deshalb seine Geschwindigkeit reduziert, um sich zu vergewissern, dass der Fahrer des Fahrzeugs sich im Reißverschlussverfahren von dem linken auf den rechten Fahrstreifen einordnen kann.“ Genau dies hatte der Beklagte aber nicht getan.  

Für das OLG stand daher fest, dass er in erheblichem Maße unaufmerksam war und den Unfall hierdurch auch wesentlich mitverursacht hatte.

Gegen den Kläger sprach, dass der rückwärtige Verkehr auf der rechten Spur für ihn erkennbar war. Da er ein Stück auf der Sperrfläche hätte weiterfahren oder auch dort anhalten können, war der Spurwechsel daher auch nicht zwingend notwendig.

Was gilt beim Reißverschlussverfahren?

Hinzu kam, dass auch im Reißverschlussverfahren derjenige, der den durchgehenden Fahrstreifen befährt, grundsätzlich Vorrang vor demjenigen hat, der auf seinem Fahrstreifen nicht durchfahren kann und daher wechseln muss.  Eine Mithaftung kommt in Betracht, wenn er erkennen kann, dass das Fahrzeug auf dem benachbarten Fahrstreifen ihm den Vortritt nicht gewähren wird und er seine Geschwindigkeit nicht herabsetzt oder in anderer Weise falsch reagiert (ständige obergerichtliche Rechtsprechung; vgl. etwa OLG Saarbrücken Urt. v. 1.8.2019, Az. 4 U 18/19; OLG München Urt. v. 21.4.2017, Az. 10 U 4565/16; OLG Düsseldorf Urt. v. 22.7.2014, Az. I-1 U 152/13; KG Berlin Beschl. v. 19.10.2009, Az. 12 U 227/08; KG Berlin Beschl. v. 2.9.2009, Az. 12 U 136/09; LG Bielefeld, Urt. v. 27.06.2022, Az. 2 O 83/21).

Der Anscheinsbeweis greift nicht immer!

Der Anscheinsbeweis, wonach ein Auffahrender den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabtsand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder mit einer den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO), konnte daher hier nicht greifen. Denn nach der Beweisaufnahme stand fest, dass sich die Kollision im Zusammenhang mit einem Spurwechsel des vorausfahrenden (klägerischen) Fahrzeugs ereignet hatte.

Da zudem fest stand, dass der Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs für die Kollision mitursächlich war, lagen Umstände vor, die als Besonderheit gegen die bei derartigen Konstellationen gegebene Typizität und damit gegen den Anscheinsbeweis sprachen (vgl. BGH Urt. v. 13.12.2016, Az. VI ZR 32/16; Urt. v. 13.12.2011, Az. VI ZR 177/10).

Bei der Entscheidung über die Haftungsverteilung Folge waren die beiderseitigen unfallursächlichen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Urt. v. 08.03.2022, Az. VI ZR 1308/20).

 Im Ergebnis sah das Gericht die Unfallbeteiligten jeweils zu 50 % in der Verantwortung.

Fazit

Wer auf einer zweispurigen Autobahn wegen einer Einengungstafel vom linken auf den rechten Fahrstreifen wechseln muss, hat nach § 7 Abs. 5 StVO – trotz nach § 7 Abs. 4 StVO geltendem Reißverschlussverfahren –  eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in der rechten Spur ausschließen.

Nachfolgende Fahrzeugführer müssen sich bei hinreichender Erkennbarkeit eines anstehenden Spurwechsels, insbesondere wenn sie dem wechselnden Fahrzeug nicht eine Einordnung im Reißverschlussverfahren ermöglichen, Verstöße gegen § 7 Abs. 4 StVO, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO und gegen die Grundregel des § 1 Abs. 2 StVO entgegenhalten lassen, die eine Haftungsteilung rechtfertigen können (s.a. OLG Saarbrücken, Urt. v. 01.08.2019, Az. 4 U 18/19; OLG München, Urt. v. 21.04.2017, Az. 10 U 4565/16; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.07.2014, Az. I-1 U 152/13; KG, Beschl. v.19.10.2009, Az. 12 U 227/08).

Der Sachverhalt und das Urteil zeigen: So schnell ein Verkehrsunfall passiert, so kompliziert können dessen Aufklärung und Regulierung sein. Wir können einen Schaden zwar nicht verhindern, aber wir können ihn regeln. Sollten sie daher in einen Unfall verwickelt worden sein, kontaktieren Sie uns!

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Aktualisiert am 08.10.2024

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