Die Entziehung der Fahrerlaubnis beschränkt sich in der Regel nicht nur auf den Umstand, dass der Betroffene – vorübergehend oder dauernd – kein fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug mehr führen darf. In der Regel ist sie mit weiteren Konsequenzen verbunden, die immer wieder auch existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Wer sich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis konfrontiert sieht, ist daher gut beraten, wenn er diese nicht als gegeben hinnimmt, sondern – mit anwaltlicher Unterstützung – einer eingehenden Prüfung unterzieht. Jüngere Entscheidungen, zu der auch der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth zählt, bestätigen dieses Vorgehen.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann grundsätzlich immer dann angeordnet werden, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt wird… wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.
(69 Abs. 1 StGB).
Der ständigen Rechtsprechung zufolge, ist dies als gegeben anzusehen, wenn die Teilnahme der betreffenden Person am Straßenverkehr, infolge ihrer Leistungsfähigkeit oder charakterlichen Eigenschaften, die sich z.B. in der Tatbegehung äußern können, zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde.
Als sogenannte Regelbeispiele, bei deren Vorliegen die Ungeeignetheit als gegeben vorausgesetzt wird, nennt § 69 Abs. 2 StGB
1. die Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a. die Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen (§ 315d),
2. die Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3. das unerlaubte Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, dass bei
dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen
bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4. den Vollrausch (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht.
bedeutender Fremdschadenim Sinne der §§ 69, 142 StGB?
Uneinigkeit besteht in der Rechtsprechung insbesondere hinsichtlich der Frage, was als bedeutender Schaden
einzustufen ist.
So hatte z.B. das AG Hanau (Beschl. v. 15.02.2019, Az. 54 Gs – 2255 Js 18122/18) einem Autofahrer die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, weil dieser die Unfallstelle verlassen hatte, nachdem er an einem anderen Fahrzeug einen Schaden in Höhe von 1.500 Euro verursacht hatte. Auf die Beschwerde des beschuldigten Autofahrers hin, hatte sich das Landgericht Hanau mit der Sache zu befassen (Beschl. v. 26.03.2019, Az. 4b Qs 26/19).
Dabei kam es zu dem Schluss, dass im Hinblick auf die wirtschaftlichen Veränderungen seit etwa dem Jahre 2002 die Annahme eines Wertes von 1.300,– Euro für die Frage des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 StGB nicht mehr zeitgemäß
und die Rechtsprechung an die veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen sei. Mit Blick auf die allgemeine Geldentwicklung sowie die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes, erachtete das Gericht eine Anhebung auf 1.600 Euro für gerechtfertigt. Das LG Hanau zog damit mit dem OLG Stuttgart gleich, dass diese Wertgrenze in seiner Entscheidung vom 27.04.2018, Az. 2 Rv 33 Ss 959/17 ebenfalls als maßgeblich erachtet hatte. Nicht verschwiegen werden soll allerdings, dass z.B. das AG Duisburg (Beschl. v. 27.10.2020, Az. 204 Gs 146/20), das LG Dresden (Beschl. v. 07.05.2019, Az. 3 Qs 29/19) oder das LG Magdeburg (Beschl. v. 19.06.2019, Az. 26 Qs 15/19) die maßgebliche Grenze bei 1.500 Euro sahen.
Den vorläufigen Schlusspunkt in der Entwicklung hatte das LG Nürnberg Fürth mit seiner Entscheidung vom 05.12.2019 (Az. 5 Qs 73/19). Nachdem dieses den Betrag für die Annahme eines bedeutenden Fremdschadens – bis zum Jahre 2017 – bereits bei 1.800 Euro netto angesiedelt hatte, setzte es die Wertgrenze zunächst mit Beschluss vom 04.06.2018 (Az. 5 Qs 23/18) auf 2.500 Euro netto herauf. S.a. BayObLG München, v. 17.12.2019, Az. 204 StRR 1940/19.
Die Ausführungen in den Urteilsgründen, wonach die Kammer die Entwicklung der Einkommen und der Kosten für die Beseitigung der Folgen von Verkehrsunfällen berücksichtigt und sich an einer groben Schätzung der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert hat, überzeugt. Dasselbe gilt für das Argument, dass eine exakte Ermittlung der Kostenentwicklung bei der Beseitigung von Unfallfolgen nicht zuletzt wegen der Vielfältigkeit der Unfallszenarien nur von geringer Aussagekraft
sei.
Das Argument, dass angesichts der Kostenentwicklung eine großzügige Anpassung der Wertgrenze im Interesse der Rechtssicherheit geboten sei, um eine wiederholte Anpassung um kleinere Beträge in kürzeren Zeitabständen möglichst zu vermeiden, überzeugt ebenfalls.
Etliche Gerichte haben sich dem in der Folgezeit angeschlossen und die Wertgrenze besteht bis zum heutige Tage (05.03.2024) fort.
So heißt es z.B. in einem Beschluss des Landgerichts Bielefeld (Az. 10 Qs 51/24 v. 02.02.2024), dass im Wesentlichen auch die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und der Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 28.09.2010, Az. 4 StR 245/10; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 15.01.2020, Az. 5 Qs 4/20; LG Hamburg, Beschl. v. 09.08.2023, Az. 612 Qs 75/23; LG Oldenburg, Beschl. v. 12.01.2023, Az. 3 Qs 425/22), da sie sich gerade in den letzten Jahren aufgrund der aufkommenden Inflation bedeutend und nachhaltig verändert habe (eingehend hierzu: LG Dresden, Beschl. v. 15.09.2023, Az. 17 Qs 66/23)
Wer sich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis konfrontiert sieht oder eine solche befürchtet, weil ihm die Verursachung eines Unfalls mit erheblichem Sachschaden sowie die unerlaubte Entfernung vom Unfallort vorgeworfen wird, sollte dieses nicht einfach so hinnehmen, sondern – nach anwaltlicher Beratung – dagegen vorgehen.
Auch hier gilt: sprechen Sie mit uns!
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