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Aktuelles Urteil zu Parkplatzunfällen!

Das OLG Frankfurt hatte am 22.06.2022 (Az. 17 U 21/22) über einen Parkplatzunfall zu entscheiden, bei dem die Fahrzeuge nicht beim Ausparken kollidierten, sondern im Einmündungsbereich zweier Fahrstreifen, die sich zwischen den Parkboxen befanden. Zu klären war insbesondere, ob und inwieweit die Vorfahrtsregel des § 8 StVO auch auf dem öffentlich zugänglichen Parkplatz eines Baumarktes gilt.
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13.07.2022
ca. 3 Minuten
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Am 05.11.2021 berichteten wir in dem Artikel Rückwärts aus der Parklücke: Nicht immer gilt die 50%ige Haftungsquote! darüber, wann und unter welchen Voraussetzungen die Unfallbeteiligten sich die Haftung zu 50% teilen. Im Zentrum stand der Zusammenstoß zweier Fahrzeuge, während diese rückwärts aus der Parklücke herausfahren.

In diesem Artikel geht es um einen Sachverhalt, den das OLG Frankfurt zu entscheiden hatte.

Die erstinstanzliche Entscheidung

Das Landgericht Wiesbaden hatte den Schadensersatzanspruch des Klägers auf 25% beschränkt (Urt. v. 23.12 2021, 2 O 1096/20). Begründet hatte es dies damit, dass ihm ein Vorfahrtsverstoß gemäß § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StVO anzulasten sei. Die Geltung der StVO sei durch ein Verkehrsschild angeordnet und damit auch die Vorschrift des § 8 Abs. 1 StVO anwendbar gewesen. Der Kläger wollte sich damit nicht abfinden und ging in die Berufung.

Das OLG Frankfurt fordert besondere Aufmerksamkeit!

Das OLG Frankfurt sah den Unfallgegner zu 50% in der Verantwortung. Es begründete dies damit, dass Fahrgassen auf Parkplätzen grundsätzlich keine Stra0en seien, die dem fließenden Verkehr dienen. An Kreuzungen gelte – statt der Vorfahrtsregeln – das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme des § 1 StVO. Schließlich müsse auf Parkplätzen damit gerechnet werden, dass die Aufmerksamkeit der anderen Fahrzeugführer bei der Suche nach einem freien oder geeigneten Einstellplatz besonders beansprucht ist. Andere Verkehrsteilnehme hätten ihre Fahrweise deshalb darauf einzustellen, dass etwaige Vorrechte missachtet werden (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2007, Az. VI ZR 8/07).

Der Charakter der Fahrspur entscheidet!

Anderes könne nach der Rechtsprechung nur dann gelten, „wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge“ (LG München, Urt. v. 27.05.2020, Az. 10 U 6767/19; KG Berlin, Beschl. v. 09.07.2018, Az. 25 U 159/17; OLG Köln, Beschl. v. 10.12.1974, Az. Ss 167/74; OLG Oldenburg, Urt. v. 26.03.1982, Az. 11 U 74/81. Das OLG Düsseldorf hatte sich z.B. für eine analoge Anwendung des § 8 StVO für Fahrgassen mit Straßencharakter ausgesprochen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2017, Az. I-1 U 97).

Das OLG Frankfurt stellte klar, dass eine Fahrspur nur dann Straßencharakter haben kann, wenn dies nicht nur erahn-, sondern unmissverständlich erkennbar ist. Exemplarisch hat es Merkmale wie eine ausreichende Breite, Randstreifen, Gräben oder Bürgersteige ausgeführt.

Für den BGH ist bei der Zumessung eines Straßencharakters entscheidend, “ob einer Fahrspur Straßencharakter zukommt, … ob die baulichen Verhältnisse für den Verkehrsteilnehmer vertraute typische Straßenmerkmale erkennen lassen, wobei Unterschiede in der Gewichtung einzelner baulicher Merkmale, wie etwa Fahrbahnmarkierungen, Fahrspurbreite oder Asphaltierung bestehen. In der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung rückt dabei die Bedeutung der für den Verkehrsteilnehmer erkennbaren Funktion der Fahrspuren in den Vordergrund, wobei der Straßencharakter verneint wird, wenn die Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs zumindest auch zweckbestimmend ist” (BGH, Urt. v. 22.11.2022, Az. VI ZR 344/21).

Fehlen derartige Merkmale, müssen die Fahrbahnführung und -markierung eindeutig sein und die „Schaffung und Aufrechterhaltung eines (quasi) fließenden Verkehrs, auf der fraglichen Verkehrsfläche deutlich im Vordergrund stehen. Bei einer Fahrgasse zwischen markierten Parkreihen, die in erster Linie der Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs dient, ist dies nicht der Fall“ gewesen. Weder kam daher eine (analoge) Anwendung der Vorfahrtregelung des § 8 Abs. 1 S. 1 StVO in Betracht noch musste der Fahrer des anderen Fahrzeugs die erhöhten Sorgfaltsanforderungen des § 10 StVO erfüllen.

FAQ

Welche Grundsätze gelten beim Fahren auf Parkplätzen?

Wer auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen, sei es vor Baumärkten, Discountern oder anderswo fährt, sollte mit erhöhter Aufmerksamkeit und Voraussicht fahren sowie mit den Fehlern anderer Fahrer rechnen. Fahrzeugführer sollten– sowohl in Parkhäusern als auch auf Parkplätzen – nicht auf einem vermeintlichen Vorrecht bestehen, sondern defensiv fahren und die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer suchen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2017, Az. I-1 U 97/16; KG Berlin, Beschl. v. 12.10.2009, Az. 12 U 233/08)

Siehe auch: 
Vorsicht im Parkhaus!
Rechts vor links im Parkhaus?

Aktualisiert am 16.08.2023
Bildnachweis: fill/Pixabay

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