BGH, Urteil vom 12. Dezember 2023, Az. VI ZR 77/23
Der BGH hatte am am 12. Dezember 2023 über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem eine Mitarbeiterin eines Pflegedienstes mit dem Fahrzeug ihres Arbeitgebers Fahrzeug aus der Gegenrichtung kommend an einem Müllabfuhrfahrzeug vorbeifuhr und dabei mit einem Müllcontainer kollidierte.
Das Müllfahrzeug stand mit laufendem Motor, laufender Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage in der Straße. Zur Kollision kam es, als ein Müllwerker hinter dem Fahrzeug hervortrat, um einen Müllcontainer quer über die Straße zu schieben. Der Pflegedienst verlangte Schadenersatz.
Der BGH sprach den geltend Anspruch teilweise zu. Ausschlaggebend war, weshalb die Haftung aus Betriebsgefahr gemäß § 7 StVG, da das Fahrzeug des Pflegedienstes “bei dem Betrieb” des Müllabfuhrfahrzeugs beschädigt worden war,
Den Ausschlag hatte gegeben, dass der Müllwerker den Container Müllcontainer quer über die Straße geschoben hatte, ohne dabei auf den Verkehr und das Fahrzeug der Klägerin zu achten. Der BGH wertete dies als einen schuldhafter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO, weshalb die – von der entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgehende – Gefahr dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen gewesen sei.
Hinsichtlich der Fahrerin des PKW kam der BGH zu dem Ergebnis, diese habe die erforderliche Sorgfalt nicht hinreichend beachtet.
In der Pressemeldung heißt es dazu:
„Das Hauptaugenmerk der mit dem Holen, Entleeren und Zurückbringen von Müllcontainern befassten Müllwerker ist auf ihre Arbeit gerichtet, die sie überwiegend auf der Straße und effizient, das heißt in möglichst kurzer Zeit und auf möglichst kurzen Wegen, zu erledigen haben.
Wer an einem Müllabfuhrfahrzeug vorbeifährt, das erkennbar im Einsatz ist, darf daher nicht uneingeschränkt auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Müllwerker vertrauen.
Er muss damit rechnen, dass Müllwerker plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortreten und unachtsam einige Schritte weiter in den Verkehrsraum tun, bevor sie sich über den Verkehr vergewissern. Auf diese typischerweise mit dem Einsatz von Müllabfuhrfahrzeugen verbundenen Gefahren hat der vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer sein Fahrverhalten einzurichten. Lässt sich ein ausreichender Seitenabstand zum Müllabfuhrfahrzeug, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann.“
Die Fahrerin des PKW war mit 20 km/h zwar schon langsam gefahren. Bei einem Seitenabstand von maximal 50 cm zum Müllabfuhrfahrzeug war diese Geschwindigkeit aber trotzdem immer noch zu hoch, um das Fahrzeug notfalls sofort zum Stillstand bringen zu können.
Gemäß § 35 Abs. 6 StVO dürfen Fahrzeuge der Müllabfuhr die durch weiß-rot-weiße Warneinrichtungen gekennzeichnet sind, auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert.
Wer an einem Müll- oder anderem Fahrzeug im Einsatz vorbeifährt, muss dies nicht nur mit der erforderlichen Aufmerksamkeit tun, sondern im Zweifel auch die Geschwindigkeit vermindern. Bei einem Unfall ist ein Schadenersatzanspruch zwar nicht ausgeschlossen. Er kann jedoch aufgrund eines Mitverschuldens vermindert sein.
Sollten Sie in einen Unfall – egal, ob mit einem Müll- oder einem anderen Fahrzeug – verwickelt worden sein, kontaktieren Sie uns!
Voigt regelt!
Bildnachweis: 1965566 / Pixabay
Aktualisiert am 24.09.2024