In sogenannten Spielstraßen
ist mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Doch welches Tempo ist in diesen Verkehrsberuhigten Zonen zulässig? Darüber besteht keine Einigkeit. Das stellte auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in seinem Beschluss vom 28.11.2019 (Az.: 1 RBs 220/19) fest.
Was war passiert?
Im November 2018 bog eine Autofahrerin aus einer Tempo-30-Zone
in eine verkehrsberuhigte Zone ab – auch weitläufig als Spielstraße
bekannt. Dort wurde sie mit einer Fahrgeschwindigkeit von 41 km/h gemessen. Nach einem Toleranzabzug von 3 km/h wurde ihr vorgehalten 38 km/h gefahren zu sein und damit deutlich schneller als die – nach Auffassung des Amtsgerichts (AG) Dortmund – erlaubten 7 km/h.
Das Amtsgericht verurteilte die Autofahrerin wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 160 Euro und setzte gleichzeitig ein einmonatiges Fahrverbot fest. Die Autofahrerin ging dagegen mit einer Rechtsbeschwerde vor.
Die Entscheidung des OLG
Das OLG Hamm ging ebenfalls davon aus, dass die Autofahrerin die Spielstraße
mit 38 km/h befuhr – insoweit hatte die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Allerding stellte es zum Geschwindigkeitsverstoß fest, dass (
) in einem verkehrsberuhigten Bereich nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden [darf]. Eine nähere gesetzliche Definition dieses Begriffes findet sich nicht.
In seinen Ausführungen erklärte das Gericht, dass (
) [d]er Begriff der Schrittgeschwindigkeit (
) dem Bestimmtheitsgebot nur dann gerecht [wird], wenn er sich durch Auslegung hinreichend klar bestimmen lässt.
Doch wie genau lässt sich Schrittgeschwindigkeit bestimmen? Unter anderem zogen die Richter die Rechtsprechung anderer Urteile heran: Während etliche bzw. möglicherweise auch eine überwiegende Anzahl von Obergerichten den Begriff der Schrittgeschwindigkeit in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil mit maximal 7 km/h definieren (
), wird in anderen obergerichtlichen Entscheidungen auch ein Wert von max. 10 km/h benannt (
).
Eine ausdrückliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt nach den Erkenntnissen des Senats zu dieser Frage bisher nicht vor. In einem zivilrechtlichen Urteil ( ) wird im Zusammenhang mit einer festgestellten Geschwindigkeit von 12 km/h anlässlich einer Fahrt in dichtem Nebel auf der Autobahn erörtert, dass es in der Regel untersagt sei, auf Autobahnen nur mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren.
In Anbetracht der uneinheitlichen Rechtsprechung kam das OLG zu einem Urteil nach dem Prinzip Im Zweifel für den Angeklagten
: (
) nach Bewertung des Senats muss die derzeit gegebene Uneinheitlichkeit der Rechtslage (
) dazu führen, dass einem Betroffenen (
) ein Verstoß gegen das Gebot der Schrittgeschwindigkeit allenfalls erst bei Überschreitung des Wertes von 10 km/h zur Last gelegt werden kann, solange keine verbindliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eine entsprechende gesetzliche Klarstellung vorliegt (
).
In der Konsequenz bedeutete dies für die Autofahrerin eine Geschwindigkeitsüberschreitung von höchstens 28 km/h und damit eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro – ohne das Fahrverbot.
Kanzlei Voigt Praxistipp
So lange keine einheitliche Regelung seitens des Gesetzgebers zur Schrittgeschwindigkeit getroffen wird und auch kein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofs zu dieser Thematik vorliegt, liegt Schrittgeschwindigkeit zwischen 7 und 10 km/h. Im Regelfall dürften die 3 km/h Unterschied nicht kriegsentscheidend sein. Doch – wie im vorliegenden Fall – können sie über ein Fahrverbot entscheiden.
Sollten auch Sie von einem Fahrverbot betroffen sein, helfen Ihnen die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt gerne weiter.