LKWs nehmen viel Raum ein. Doch was passiert, wenn beim Überholvorgang ein Verkehrszeichen vom LKW verdeckt und daher vom Überholenden nicht wahrgenommen und somit nicht beachtet wird? Mit dieser Frage musste sich das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) in seinem Beschluss vom 22.04.2020 (Az.: (2B) 53 Ss-OWi 169/20 (87/20)) auseinandersetzen.
Was war passiert?
Ein Autofahrer fuhr auf einer Bundesstraße außerhalb geschlossener Ortschaften mit einem PKW-Anhänger-Gespann. Dabei wurde er mit einer Geschwindigkeit von mindestens
109 km/h geblitzt. Zulässig war an der Stelle eine Höchstgeschwindigkeit vom 70 km/h, angeordnet durch das Verkehrszeichen 274. Der Autofahrer räumte in dem Verfahren vor dem Amtsgericht (AG) Bad Freienwalde (Oder) ein, dass er wegen Überholens eines LKWs das einseitig aufgestellte Verkehrsschild nicht wahrgenommen
habe.
Das Amtsgericht wertete dies als Schutzbehauptung, denn es ließ sich nicht feststellen, wie die Verkehrssituation war, als der Betroffene die Messstelle passierte. Auf dem Messfoto, welches den rückwärtigen Verkehr und die Bundesstraße auf einer Strecke von über 200 m erkennen lässt, ist ein entsprechender Lkw, den der Betroffene überholt zu haben behauptet, nicht erkennbar. Der Betroffene hat keine konkreten Angaben zu dem Lkw gemacht (Marke, Farbe, Kennzeichen) und lediglich pauschal darauf hingewiesen, einen Lkw überholt zu haben.
Das Gericht verhängte gegen den Autofahrer daraufhin wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 339 km/h eine Geldbuße von 320 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat.
Dagegen wandte sich der Autofahrer mit einer Rechtsbeschwerde an das OLG Brandenburg.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Oberlandesgericht befand, dass das Amtsgericht unzureichende Feststellungen zum Vorsatz getroffen hatte. Zwar könne der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein
, jedenfalls dann, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % bzw. 50 % überschritten wird
– was auch der Fall war.
Allerdings durfte die Einlassung des Autofahrers, dass er das Schild nicht gesehen habe, nicht ohne weiteres als Schutzbehauptung werten. Die Ausführungen des Amtsgerichts zu den Urteilsgründen waren dem OLG zu kurz gefasst. Den Urteilsgründen ist schon nicht zu entnehmen, wo genau und in welchem Abstand zur Messstelle das die Höchstgeschwindigkeit begrenzende Verkehrsschild aufgestellt war. Insofern ist der Verweis darauf, dass auf dem Messfoto ein Lkw nicht erkennbar sei, kein tragfähiges Argument dafür, die Einlassung als bloße Schutzbehauptung zu widerlegen. Darüber hinaus kann anhand des Messfotos, das Gegenstand der Urteilsgründe ist und einer Beurteilung in der Rechtsbeschwerdeinstanz unterliegt, auch nicht sicher ausgeschlossen werden, dass sich in der angegebenen Entfernung von 200 m ein Lkw befindet. Im Übrigen darf sich der Umstand, dass sich die Verkehrssituation nicht hat feststellen lassen, nicht ohne weiteres zum Nachteil des Betroffenen auswirken.
Das OLG hob daher das Urteil des Amtsgerichts hinsichtlich des Vorsatzes auf. Dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung stattgefunden hat, stand für das Gericht dagegen außer Frage.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Wer vorsätzlich gegen ein Verkehrsgebot verstößt, muss mit einer härteren Strafe rechnen. Doch nicht immer wird ein Verkehrsschild ohne weiteres wahrgenommen; sei es, dass es durch ein anderes Fahrzeug, eine Hecke oder anderes verdeckt war oder einfach aufgrund einer Ablenkung des Fahrers nicht registriert wurde. In solchen Fällen fehlt es am Vorsatz.
Der Nachweis, ob jetzt eine vorsätzliche oder doch fahrlässige Begehung stattfand, hängt von zahlreichen Gesichtspunkten ab. Dabei genügt eine falsche Wortwahl bei der Einlassung und schon verfestigt sich der Vorwurf des Vorsatzes. Daher ist gut beraten, wer bereits frühzeitig einen erfahrenen Rechtsbeistand einschaltet. Die auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne zur Seite.