Geschwindigkeitsverstöße zu verhandeln gehört zum Gerichtsalltag. Allerdings sollte auch beim Abfassen von Urteilen und Beschlüssen der Grundsatz Eile mit Weile
gelten, wie das Amtsgericht (AG) Pößneck mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Jena vom 21.09.2020 (Az.: 1 OLG 151 SsBs 72/20) erfahren durfte.
Was war passiert?
Einem Autofahrer wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 35 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft vorgeworfen. Weil er die Messung mittels PoliScan M1 HP für fehlerhaft hielt, ging er gegen den Bußgeldbescheid vor. Dabei war der Autofahrer bereits in der Vergangenheit mit Geschwindigkeitsverstößen aufgefallen, zuletzt im April 2018, was ihm ein Bußgeld von 240 Euro einbrachte.
In dem anschließenden Gerichtsverfahren wurde ein Sachverständigengutachten bezüglich der Messung erstellt. Das Amtsgericht verurteilte den Autofahrer – gestützt auf dieses Gutachten – wegen eines fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoßes zu 120 Euro Geldbuße und verhängte ein einmonatiges Fahrverbot. Damit wollte sich der Autofahrer nicht geschlagen geben und legte Rechtsbeschwerde ein. In Folge dessen beantragte auch die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft die Aufhebung des Urteils, sowie die Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung.
Die Entscheidung des Gerichts
Für das OLG war das Urteil eindeutig fehlerhaft: Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist lückenhaft, weil lediglich das Ergebnis des Gutachtens dargestellt wird. Stützt der Tatrichter den Schuldspruch – wie vorliegend – auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (
).
Dies war in dem Urteil jedoch nicht erfolgt.
Damit war dem OLG nicht möglich zu überprüfen, ob die vom Amtsgericht getroffene Feststellung, die durchgeführte Messung sei in jeder Beziehung ordnungsgemäß erfolgt und sei zu einem völlig richtigen Messergebnis gelangt, ohne Rechtsfehler getroffen wurde.
Aufgrund der fehlenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen des Gutachtens sowie der fachlichen Begründung selbigen konnte nicht einmal dessen Schlüssigkeit überprüft werden.
Doch nicht nur daran fehlte es in dem Urteil des Amtsgerichts. Nicht einmal die vorgeworfene Tat fand sich in dem Urteil ausreichend dargestellt wieder. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Urteil (
) eigene Feststellungen zum Tatgeschehen als Grundlage des Schuldspruchs ausweisen muss. (
) Die bloße Wiedergabe des Bußgeldbescheides ist nicht ausreichend
.
Im Ergebnis wurde das amtsgerichtliche Urteil mitsamt den Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Gerichtsurteile müssen bestimmten Anforderungen entsprechen. Genügen sie diesen nicht, können sie angegriffen werden. Doch wann sind sie angreifbar? Für den Laien ist dies nicht immer ohne weiteres erkennbar, ob sich ein Vorgehen gegen das Urteil lohnt. Für den erfahrenen Rechtsanwalt, der idealerweise bereits beim ersten Verfahren beteiligt war, sind derartige Fehler wie sie vom Amtsgericht Pößneck begangen wurden, deutlich. Daher lohnt sich das frühzeitige Einschalten eines Rechtsbeistandes. Die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne zur Seite.