Ein kurzer Blick zum Radio oder auf den Aschenbecher und schon knallt es… Ablenkung im Straßenverkehr ist Schätzungen zufolge für jeden zehnten Verkehrstoten verantwortlich. Das scheint auch die Unfallursache in einem vor dem Landgericht (LG) Heilbronn verhandelten Fall gewesen zu sein. Doch welche Konsequenzen muss der Autofahrer tragen? Das entschied das Gericht in seinem Urteil vom 04.01.2021 (Az.: 1 Ks 27 Js 14881/19).
Was war passiert?
Eine vierköpfige Gruppe war im Mai 2019 nachts zu Fuß auf einer Landstraße unterwegs. Um nicht übersehen zu werden, hatten sie eine Handytaschenlampe eingeschaltet. Gegen zwei Uhr kam es zu einem folgenschweren Unfall, bei dem ein 21-Jähriger tödlich verletzt wurde. Ein 42-jähriger Autofahrer kollidierte mit der Fußgängergruppe. Anstatt anzuhalten und sich um die Verletzten zu kümmern, setzte er seine Fahrt jedoch fort. Erst am Nachmittag meldete er sich bei der zuständigen Polizei. Er hatte sein Fahrzeug anhand der Beschreibung der Polizei in einem Internet-Beitrag wiedererkannt.
Die Staatsanwaltschaft klagte den Autofahrer an und forderte eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren. Nach ihrer Auffassung hatte sich der 42-Jährige unter anderem wegen versuchten Mordes und fahrlässiger Tötung strafbar gemacht. Die Verteidigung des Autofahrers forderte dagegen eine Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Sie führte an, der Autofahrer habe zum Unfallzeitpunkt geraucht und den Blick auf seinen Aschenbescher gewandt, als es zum Zusammenstoß kam. Dies habe er auf eine Kollision mit einer Warnbarke zurückgeführt und sei deshalb weitergefahren.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht verurteilte den Autofahrer zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen versuchten Mordes in zwei Fällen und der fahrlässigen Tötung des 21-Jährigen. Dabei gab es bezüglich der getroffenen Strafzumessung zu bedenken, dass jedem ein Fehler unterlaufen könne, der zu einem schwere Unfall führe. Allerdings sei auch das Verhalten nach dem Unfall zu berücksichtigen. Hier fand das Gericht kein Verständnis. Der Autofahrer habe es dem Zufall überlassen, ob die verletzten Fußgänger überleben würden oder nicht.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Dass Verkehrsunfälle stattfinden, gehört zum Alltag. Nicht ohne Grund gibt es eine Versicherungspflicht für Kraftfahrzeuge. Wer sich nach einem Unfall jedoch von der Unfallstelle entfernt, muss mit Konsequenzen rechnen. Diese hängen maßgeblich davon ab, was zum Unfall geführt hat (beispielsweise eine Alkoholisierung) und wie sich der Autofahrer nach der Tat verhalten hat. Hier fiel dem Fahrer zur Last, dass er sich vom Unfallort entfernte, ohne sich um die Verletzten zu kümmern. Dies durfte auch Anlass gegeben haben, dass das Gericht auch auf versuchten Mord erkannt hat. Weil das Urteil mit der Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, dürfte vermutlich von der Verdeckungsabsicht auszugehen sein.
Ob ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorliegt, kann nicht immer ohne weiteres beurteilt werden. Dabei können beispielsweise rechtfertigende Gründe vorliegen. Sollten Sie mit dem Tatvorwurf der Unfallflucht konfrontiert sein, ist ein fachkundiger Rechtsrat viel wert. Die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne zur Seite.