Falschsagt das OLG Oldenburg
Grundsätzlich müssen Verkehrsschilder sichtbar sein, um zu gelten. Doch gilt ein Verbot für eine bestimmte Strecke auch auf dem Rückweg? Selbst wenn kein Verkehrszeichen darauf hinweist? Ja
meint das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in seinem Beschluss vom 30.04.2020 (Az.: 2 Ss (OWi) 111/20).
Was war passiert?
Ein Autofahrer fuhr zum Parkplatz seines Arbeitgebers. Auf dem Weg dorthin passierte er eine Baustelle, die entsprechend beschildert war und für die die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt wurde. Auf dem Rückweg fuhr er denselben Weg zurück, nun aus der Gegenrichtung kommend. Allerdings wies zwischen dem Parkplatz und der Baustelle kein Schild auf die Baustelle und die damit verbundene Geschwindigkeitsbegrenzung hin. Diese Schilder waren auf der Straße vor der Parkplatzausfahrt platziert.
Weil der Autofahrer sich zu Unrecht mit dem Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung konfrontiert sah, ging er gegen den Bußgeld vor. Das Amtsgericht (AG) Wilhelmshaven verurteilte den Autofahrer mit Urteil vom 10.01.2020 zu einer Geldbuße von 35 Euro wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Gegen dieses Urteil wandte sich der Autofahrer an das OLG Oldenburg.
Schilder müssen sichtbar sein
Zunächst stellte das OLG zutreffend fest: Grundsätzlich entfalten Verkehrszeichen das Gebot einer Geschwindigkeitsbeschränkung aber nur in der Fahrtrichtung für die sie aufgestellt und für den Betroffenen auch sichtbar sind
. Für den Autofahrer war es jedoch auf dem Rückweg unstreitig nicht sichtbar, weil es vor der Einmündung angebracht war. Damit dürfte der Geschwindigkeitsverstoß aus der Welt sein.
Ja, aber
Ganz so einfach sieht es das OLG nicht. Zwar soll unter anderem das Zeichen 274 hinter Kreuzungen und Einmündungen wiederholt werden, an denen mit dem Einbiegen ortsunkundiger Kraftfahrer zu rechnen ist. Selbst wenn man die Zufahrt zum Parkplatz mit einer Einmündung gleichsetzen würde, wäre allein hierdurch das Streckenverbot aber nicht aufgehoben worden
.
Gewicht = Geschwindigkeit?
Dazu zitierte das OLG auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH hat ausgeführt (
): Ob nun die Fahrt in derselben oder in der entgegengesetzten Richtung fortgesetzt wird, in beiden Fällen wird vom Kraftfahrer verlangt, dass er sich ein für längere Strecke geltendes Verbotsschild mindestens dann merkt und einprägt, wenn es zuvor wahrgenommen hat. Diese Ansicht bedeute kein Abgehen vom Sichtbarkeitsgrundsatz. Sie wolle nur seiner allzu weitgehenden Übersteigerung, die zu kaum verständlichen Ergebnissen im Verkehr führen würde, entgegentreten.
Nur dass es in dem herangezogenen BGH-Urteil um eine Gewichtsbeschränkung galt und der betroffene LKW auf der Rückfahrt diese überschritt. Die Gewichtsbeschränkung soll der Beschädigung der Straßendecke vorbeugen – dass sie in beide Richtungen gelten soll, ist nachvollziehbar. Geschwindigkeitsbeschränkungen dagegen können in die Gegenrichtung unterschiedlich ausfallen.
Auf die Umstände kommt es an
Aus Sicht des OLG Oldenburg können die Umstände dazu führen, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung auch ohne sichtbares Schild für die Gegenrichtung gilt. Sowohl das OLG Celle als auch das OLG Bamberg halten es (
) jedoch für möglich, dass ein Betroffener aufgrund der Umstände davon ausgehen muss, dass auch für die Gegenfahrbahn ein entsprechendes Geschwindigkeitsgebot bestand. (
) [Es] sind hier aber vom Amtsgericht Umstände festgestellt worden, aufgrund derer der Betroffene davon ausgehen musste, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung auch für seine Fahrtrichtung galt:
Zum einen war die Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Kombination mit dem Verkehrszeichen Arbeitsstelle angeordnet worden. Zum anderen befand sich die Baustelle nach den Feststellungen des Amtsgerichtes mittig auf den nicht durch Leitplanken getrennt Fahrbahnen. Wenn bei einer derartigen Örtlichkeit eine Geschwindigkeitsbegrenzung für eine Fahrtrichtung angeordnet worden ist, drängt sich auf, dass für die entgegengesetzte Fahrtrichtung nichts anderes gilt.
Urteil des Amtsgerichts bleibt bestehen
Daher kam das OLG zu der Feststellung: Das Streckenverbot galt (
) auch in südlicher Richtung.
Somit verwarf es die Rechtsbeschwerde des Autofahrers und das angegriffene Urteil blieb bestehen.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Ob vom Autofahrer in solchen Fällen tatsächlich erwartet werden kann aufs Geratewohl eine Geschwindigkeitsbeschränkung anzunehmen, ohne dass eine entsprechende Beschilderung vorliegt, ist fraglich. Hätte der Autofahrer seine Fahrt in die ursprüngliche Fahrtrichtung fortgesetzt, wäre in der Konstellation mit keiner Geschwindigkeitsbegrenzung mehr zu rechnen, denn er hatte die Baustelle ja bereits passiert.
Ob in der Gegenrichtung uneingeschränkt ebenfalls eine Geschwindigkeitsbeschränkung gilt, lässt sich pauschal nicht bewerten. Wären beispielsweise vor der Baustelle Einmündungen oder Kreuzungen, wäre spätestens dort mit einer Wiederholung der Beschilderung zu rechnen gewesen und der Autofahrer hätte im Baustellenbereich die zulässige Geschwindigkeit wahrscheinlich eingehalten. Eine Messung vor dieser Beschilderung und der folgenden Baustelle dürfte angreifbar sein.
Vorgeworfene Geschwindigkeitsverstöße sind nicht immer begründet, so dass sich eine Überprüfung lohnen kann. Dies setzt jedoch Fachkunde voraus. Die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt helfen Ihnen daher gerne.