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Einsichtsrecht in Lebensakte bei Rotlichtverstoß

Nicht nur bei Geschwindigkeitsverstößen kommen sogenannte standardisierte Messverfahren zum Einsatz. Auch die Messung von Rotlichtverstößen erfolgt häufig auf diese Weise. Für die Verwaltungsbehörden und Gerichte bedeuten sie eine erhebliche Arbeitserleichterung. Doch häufig sehen sich betroffene Autofahrer in ihren Rechten beschränkt – zu Recht wie das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14.12.2020 (Az.: 1 VB 64/17) […]
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21.12.2020
ca. 3 Minuten
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Nicht nur bei Geschwindigkeitsverstößen kommen sogenannte standardisierte Messverfahren zum Einsatz. Auch die Messung von Rotlichtverstößen erfolgt häufig auf diese Weise. Für die Verwaltungsbehörden und Gerichte bedeuten sie eine erhebliche Arbeitserleichterung. Doch häufig sehen sich betroffene Autofahrer in ihren Rechten beschränkt – zu Recht wie das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14.12.2020 (Az.: 1 VB 64/17) zeigt.

Was war passiert?

Ein Autofahrer wurde geblitzt und erhielt einen Anhörungsbogen vom Ordnungsamt Karlsruhe. In dem Anhörungsbogen räumte der Autofahrer ein, mit seinem Wagen über die entsprechende Kreuzung gefahren zu sein. Zu dem fraglichen Zeitpunkt sei die Ampelanlage allerdings ausgeschaltet gewesen, was sowohl sein Beifahrer als auch der Fahrer des hinter ihm fahrenden Fahrzeuges bezeugen könnten.

Dennoch erhielt der betroffene Autofahrer einen Bußgeldbescheid über 200 Euro verbunden mit einem einmonatigen Fahrverbot wegen des vermeintlichen Rotlichtverstoßes. Dagegen legte er Einspruch ein und beantragte unter anderem die Herausgabe der digitalen Falldaten der gesamten Messserie in unverschlüsselter Form, also sämtlicher Rotlichtverstöße an der betreffenden Ampelanlage, sowie die dazugehörige Statistik(-Datei), die Lebensakte des Messgeräts oder ersatzweise alle Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise seit der ersten Inbetriebnahme.

Die Stadt Karlsruhe übersandte daraufhin die angeforderten Unterlagen – mit Ausnahme der Lebensakte. Dazu teilte sie mit, dass das Messgerät über eine Zulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und eine gültige Eichung verfüge, weshalb das Führen einer Lebensakte nicht erforderlich sei. Der Autofahrer beantragte daraufhin eine gerichtliche Entscheidung über die Überlassung der Unterlagen. Diese würden für eine Überprüfung auf mögliche Messfehler durch einen Sachverständigen benötigt.

Die Entscheidungen von Amts-, Land- und Oberlandesgericht

Das mit der Angelegenheit befasste Amtsgericht (AG) Karlsruhe regte zunächst an, wegen gerichtsbekannter Unübersichtlichkeit der Ampelanlage (…) eine Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro zu verhängen und von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen. Damit wollte sich der Autofahrer nicht abfinden. Das Begehren des Autofahrers auf Einsicht in die Unterlagen des Messgerätes wurde daraufhin vom Gericht abgelehnt, da für die beantragte Übersendung der Unterlagen keine Rechtsgrundlage ersichtlich sei. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde vom Landgericht (LG) Karlsruhe mit Beschluss vom 30.03.2017 als unzulässig verworfen.

In dem Verfahren vor dem Amtsgericht beantragte der Autofahrer unter anderem auch die Beiziehung und Verlesung der Unterlagen zum Messgerät sowie die Vernehmung aller an dem Tag geblitzter Autofahrer, um zu beweisen, dass die Ampel kein Rotlicht zeigte. Das Amtsgericht lehnte diese jedoch als nicht erforderlich ab und verhängte mit Urteil vom 10.04.2017 (Az.: 8 OWi 430 Js 2439/17) eine Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro. Viele Autofahrer würden die Ampelanlage übersehen und es gäbe keine Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion der Messanlage sowie der Ampelanlage.

Gegen das Urteil legte der Autofahrer Rechtsbeschwerde ein. Das Oberlandesgericht Karlsruhe verwarf den Antrag jedoch mit Beschluss vom 05.09.2017 (Az.: 1 Rb 7 Ss 486/17), ohne dies zu begründen. Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge wies es mit Beschluss vom 11.09.2017 als unbegründet zurück.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs

Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg kam zu dem Schluss, dass der Autofahrer einen Anspruch auf vollständige Akteneinsicht hat. Gehe ein Gericht – wie hier – von der Anwendung eines standardisierten Messverfahrens aus und sehe es sich daher nicht zu einer Überprüfung aller Einzelheiten der Messung verpflichtet, sei es von Verfassungs wegen zur Herstellung der ‚Waffengleichheit‘ geboten, dass der Betroffene in die Lage versetzt werde, konkrete Messfehler aufzufinden, wofür er Einsicht in die genannten Unterlagen benötige.

Eine andere Auffassung stelle einen Zirkelschluss dar. Die Ablehnung der gestellten Beweisanträge mit der Begründung, sie seien zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich, verstoße gegen das allgemeine Willkürverbot (…), weil die Tatsache, dass keine konkreten Anhaltspunkte für Messfehler vorgetragen seien, allein darauf beruhe, dass diejenigen Unterlagen, die diese Anhaltspunkte enthalten könnten, nicht herausgegeben worden seien.

Das OLG Karlsruhe muss nun erneut über die Zulassung der Rechtsbeschwerde entscheiden.

Kanzlei Voigt Praxistipp

Einmal mehr zeigt sich, dass ein Autofahrer, der sich zu Unrecht mit dem Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit konfrontiert sieht, einen langen Atem haben muss. Erst nach langem Instanzenzug und einer Verfassungsbeschwerde kam der Autofahrer zu seinem Recht, die Bußgeldakte mitsamt Lebensakte des Messgerätes einzusehen. Die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne zur Seite, damit Sie zu Ihrem Recht kommen.

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