Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vorwurf auf einer Aufzeichnung basiert, die ein Polizeibeamter beim Nachfahren mit einem Motorrad mit dem System ProViDa 2000 Modular getätigt hat und wenn die Geschwindigkeit später manuell berechnet wurde.
Das verfolgte Fahrzeug muss klar und deutlich erkennbar sein!
Ein Beschluss des OLG Hamm vom 10.03.2020 (Az. III-4 RBs 87/20) belegt unmissverständlich, dass Nachfahren, Filmen und nachträgliches Auswerten zumindest dann nicht ausreichen, wenn das verfolgte Fahrzeug nicht einmal ansatzweise zu erkennen ist.
Wörtlich heißt es in dem Urteil:
Auf dem ersten Bild (also von Beginn der Auswertung) lässt sich ein V-förmiges Stück Himmel zwischen dichter Bewaldung links und rechts davon sicher erkennen. Noch schwach ist in der unteren Bildmitte eine Fahrbahn erkennbar. Erahnen lässt sich noch – offenbar sehr weit entfernt – ein Fahrzeug, welches aber angesichts seiner Position auf der Straße und Scheinwerfern dem entgegenkommenden Verkehr zuzurechnen sein dürfte. Auf dem zweiten Bild sieht man, neben dem etwa V-förmigen Stück Himmel und der Bewaldung, links unten ebenfalls ein Fahrzeug und in etwas Abstand von diesem drei oder vier weitere Fahrzeuge. Auch bei diesen deuten Position und Scheinwerfer aber auf entgegenkommenden Verkehr hin.
Die Aufnahmen waren damit weit davon entfernt so deutlich zu sein, wie auf dem Video der Polizei Hamburg vom 17.04.2019.
Beweise müssen eindeutig und die Toleranzwerte müssen stimmig sein!
Für das OLG Hamm war die Beweiswürdigung in Hinblick auf den vergrößernden Abstands zwischen dem Messfahrzeug und dem gemessenen Fahrzeug nicht nachvollziehbar, sondern insgesamt widersprüchlich zu der Beweiswürdigung im Übrigen, wonach “z.B. aus dem Messfilm erkennbar sein soll, das das Polizeimotorrad nicht auf das Fahrzeug des Betroffenen aufgeschlossen hat (was voraussetzt, dass man das Fahrzeug des Betroffenen überhaupt sieht).”
Da Beweiswürdigungen weder widersprüchlich, unklar oder lückenhaft sein, oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstoßen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. 02. 2015, Az. 4 StR 39/15), musste das OLG Hamm das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 05.12.2019 aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.
Dem Amtsgericht wurde auf den Weg gegeben zu prüfen bzw. anhand der Vorgaben der Bedienungsanleitung abzuklären, ob ein höherer Toleranzwert in Ansatz zu bringen ist.
Es sei nicht nachvollziehbar, dass unterschiedliche Toleranzgrenzen bei geräteseitiger und manueller Geschwindigkeitsberechnung gelten sollen, obwohl die Messdaten auf gleichem Wege erfasst und aufgezeichnet werden.
Fazit
Das Urteil des OLG Hamm zeigt, dass Bußgeldbescheide nicht einfach so hingenommen, sondern im Zweifelsfall detailliert hinterfragt werden sollten.
Die Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt unterstützen Sie dabei und stehen Ihnen gerne zur Seite!
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