Wer unverschuldet in einen Unfall gerät, möchte den Schaden so schnell wie möglich reguliert wissen. Doch was, wenn der Versicherer nicht zahlt und das eigene Konto zu wenig Spielraum lässt, um sich selbst der Sache anzunehmen? Entfällt nach (zu) langem Warten der Anspruch auf Nutzungsausfall? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in seinem Urteil vom 28.05.2019 (Az.: 1 U 115/18) befassen.
Was war passiert?
Ein Fahrzeughalter erlitt mit seinem Wagen im Juli 2015 einen Verkehrsunfall. Daraufhin holte er ein Sachverständigengutachten ein, aus dem hervorging, dass die Reparaturkosten bei circa 14.500 Euro lägen, ein vergleichbares Fahrzeug für bereits 3.400 Euro auf dem Markt zu haben sei (Wiederbeschaffungswert) und das verunfallte Fahrzeug einen Restwert von 180 Euro habe. Der Wagen hatte einen Totalschaden erlitten. Außerdem war er ausweislich des Gutachtens in einem nicht fahrbereiten, nicht verkehrssicheren Zustand
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Das Gutachten ging mit einer Zahlungsaufforderung und dem Hinweis, dass der geschädigte Fahrzeughalter nicht in der Lage sei aus eigenen Mitteln eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen, an den Versicherer des Unfallgegners. Als diese nicht zahlte, nahm der Geschädigte einen Privatkredit auf und schaffte Anfang November 2015 ein Ersatzfahrzeug an.
Weil der Versicherer den Schaden weiterhin nicht regulierte, zog der Fahrzeughalter vor Gericht.
Die Entscheidung der Gerichte
Das zunächst angerufene Landgericht (LG) Düsseldorf sprach dem Halter den Wiederbeschaffungsaufwand zu. Im Verfahren konnte der Geschädigte auch nachweisen, dass er zum Unfallzeitpunkt einen Kontostand von 14,61 Euro aufwies und ein monatliches Einkommen von 1.100 bis 1.200 Euro zur Verfügung hatte, welches von seiner Miete und den Lebenshaltungskosten weitestgehend aufgebraucht wurde. Er war nachweislich nicht in der Lage eine Ersatzbeschaffung aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Das Gericht sprach ihm daraufhin Nutzungsausfall für die 110 Tage in Höhe von 4.730 Euro zu.
Der Versicherer war mit dem Urteil hinsichtlich des langen Nutzungsausfalls nicht einverstanden und ging in Berufung. Er beharrte unter anderem auf dem Standpunkt, dass der Geschädigte so lange mit der Ersatzbeschaffung gewartet hat, so dass er keinen Nutzungswillen mehr habe. Das OLG Düsseldorf fand dafür deutliche Worte: Der Geschädigte kann den Reparaturauftrag erst erteilen, wenn er in der Lage ist, die Reparaturkosten zu begleichen. Ebenso kann er vernünftigerweise erst bestellen und kaufen, wenn er die Mittel dazu hat. Kann der Geschädigte also glaubhaft machen, dass er die Schadensregulierung aus finanziellen Gründen nicht betreiben konnte und aus diesem Grund auch in dieser Zeit auf ein Fahrzeug verzichten musste, so steht ihm auch für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung zu.
Das OLG bestätigte daher das Urteil des Landgerichts und wies die Berufung ab.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Wer bei einem Unfall geschädigt wird, hofft auf eine zügige Regulierung des Schadens. In manchen Fällen ist eine Ersatzbeschaffung aus eigenen Mitteln unvermeidbar. Ist dies jedoch nicht möglich, ist es sinnvoll den Versicherer zeitnah auf die finanzielle Situation hinzuweisen, denn nur so könne diesem die Möglichkeit eingeräumt werden schneller zu reagieren. Andernfalls könnte dies zur Kürzung des tatsächlich angefallenen Nutzungsausfalls führen (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 30.12.2019 – Az.: 13 S 168/19).
Um auf der sicheren Seite zu sein und ungerechtfertigten Anspruchskürzungen vorzubeugen hilft die frühzeitige Einschaltung eines erfahrenen Rechtsbeistandes. Die Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt helfen Ihnen gerne weiter.