Während die Instandsetzer gerade auch in den bevorstehenden Sommermonaten auf möglichst viele lukrative Schäden hoffen, ist den Versicherern eher daran gelegen, ihre Schadenkosten auch hier zu senken. Dazwischen stehen die Sachverständigen, die den Schadenumfang nach bestem Wissen und Gewissen feststellen, die Schadenhöhe zutreffend ermitteln und dabei zunehmend auch die Ergebnisse der Hagelscanner berücksichtigen müssen.
Die Befürchtung, dass Hagelscanner die Sachverständigen vollständig ersetzen könnten, hat sich bisher indes ebenso wenig verwirklicht, wie sich die Hoffnung der Versicherer, dass die Erfassung mit Scanner preiswerter werden würde. Allerdings ist die Erfassung der Dellen in vielen Fällen einfacher geworden. Im Gegensatz zu früher muss der Sachverständige dort, wo der Scanner zum Einsatz kommt, die Dellen heute nicht mehr selber erfassen und klassifizieren. Dies erledigt – in kürzerer Zeit und gemäß den voreingestellten Parametern – die Maschine.
Von der Idealvorstellung der vollständigen Erfassung und Abrechnung der Schäden ist der Scanner aber, trotz aller Fortschritte, nach wie vor weit entfernt. Wenn damit geworben wurde, dass der Geschädigte den Scanner, der quasi parallel die Kalkulation fertigte, durchfahren und anschließend nur noch zwischen Instandsetzung und fiktiver Abrechnung zu wählen brauchte, war dies zwar werbewirksam. Ob die ausgeworfene Kalkulation aber auch der Realität entsprach, sei dahingestellt.
Die “Kernkompetenz” des Scanners ist es, Unebenheiten in der Oberfläche festzustellen. Abhängig von der Kalibrierung, kann dies bis in den µm-Bereich gehen. Die eingesetzten Scanner müssen daher desensibilisiert werden, damit sie nicht z.B. auch eine orangenhautartige Lackoberfläche als Hagelschaden werten. Im Klartext bedeutet dies, dass der Scanner zwar z.B. Haarrisse erkennen könnte. Er darf dies aber nicht, weil er dann zu sensibel wäre. Im Ergebnis bleibt der Sachverständige unverzichtbar.
Dazu kommt, dass Scanner nach dem Reflektionsprinzip arbeiten. Die zu scannenden Fahrzeuge müssen daher grundsätzlich sauber und die zu scannenden Bereiche frei und offen sichtbar sein. Denn wo der erfahrene Sachverständige bei leichten Verschmutzungen oder abgeschatteten Bereichen noch ein Gutachten erstellen kann, ist der Scanner zum Scheitern verurteilt, wenn er jede Schmutzanhaftung als Oberflächenveränderung erfasst oder die Oberfläche gar nicht sehen kann. Auch bei Mattlackierungen oder entsprechenden Folierungen, wo die Reflektion fehlt, stößt der Scanner aktuell endgültig an seine Grenzen. Ebenso bei konstruktiven Gegebenheiten, wie z.B. einem Schiebedach.
Die Antwort ist zunächst nein. Sollte eine Schnittstelle zu einem Kalkulationsprogramm vorhanden sein, lassen sich die Schäden in Kategorien unterteilen und einer Schadenakte zuordnen. Auch die notwendigen De- und Montagearbeiten, einschließlich der Kosten für die Ersatzteile, lassen sich gegebenenfalls noch berechnen. Welche Ersatzteile aber tatsächlich erforderlich sind und ob das Programm alle Positionen erfasst hat, kann nur der Sachverständige feststellen. Zier- und Dichtleisten sind dem Scanner unbekannt. Die Fragen, ob die Schäden tatsächlich auf einem aktuellen Hagelschlag, auf anderen Ursachen oder auf einem Vorschaden beruhen, kann der Scanner ebenso wenig beantworten, wie er eine Entscheidung über den tatsächlichen Reparaturweg treffen kann.
Zusätzlich zu den erwähnten Aspekten darf nicht vergessen werden, dass kein Versicherer darauf verzichtet, auch den Totalschadenfall zu prüfen. Schließlich lassen sich hier ohne großen Aufwand erhebliche Kosten sparen. Allerdings hängt die Beantwortung der Frage, ob ein Totalschaden vorliegt oder nicht, maßgeblich von dem aktuellen Wiederbeschaffungswert ab.
Dieser wiederum hängt entscheidend vom Gesamtzustand des Fahrzeugs ab, was fachkundige Inaugenscheinnahme durch den Sachverständigen unverzichtbar macht. Dasselbe gilt für die Überprüfung der vom Kalkulationsprogramm ausgeworfenen Werte für etwa erforderliche Ersatzteile und Ausstattungsmerkmale des Fahrzeugs einschließlich der Arbeitszeiten (AW) und deren Kosten. Erst wenn der Scanner all dies kann, könnte es sein, dass der Sachverständige verzichtbar würde. Wann und ob dies jemals geschehen wird, bleibt aber zunächst abzuwarten.
Für Sachverständige kann der Scanner sicherlich ein zusätzliches Hilfsmittel sein, um die Qualität des Gutachtens und die Schnelligkeit seiner Erstellung zu optimieren. Für den Fall, dass das Fahrzeug beim gleichen Eigentümer und beim gleichen Versicherer einen erneuten Hagelschaden erleiden sollte, ließen sich – die Durchführung des Scanvorgangs mit den gleichen Parametern vorausgesetzt – sogar hagelbedingte Erst- und Zweitschäden voneinander unterscheiden.
Bei alledem darf aber nicht übersehen werden, dass die Kosten des Scans auch wirtschaftlich darstellbar bleiben müssen, damit der Schadenaufwand am Ende nicht höher ist als zuvor. Und selbst wenn der Scanner von Seiten der Hagelinstandsetzer als Inklusivleistung angeboten werden sollte, so wird er nie in der Lage sein, ein qualifiziertes Gespräch mit dem Kunden zu führen.
Dasselbe gilt auch für den Haftpflichtschaden.
Prüfberichte, die maschinell und nach Vorgaben und im Interesse des beauftragenden Versicherers erstellt worden sind, können ein neutral erstelltes Sachverständigengutachten nicht ersetzen.