Wer an einem Verkehrsunfall beteiligt ist, ist in der Regel zunächst von dem plötzlichen Geschehen überwältigt. Umso wichtiger ist es, bereits in den ersten Minuten richtig zu handeln, um später bestehende Schadensersatzansprüche durchsetzen zu können. Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken vom 06.09.2018 (Az.: 4 U 9/18) zeigt, dass ein wesentliches Detail bereits entscheidend sein kann.
Eine Schülerin überquerte im November 2013 gegen 7:50 Uhr die Straße, als sie von einem Wagen erfasst und bei dem Unfall verletzt wurde. Den Schilderungen des Mädchens zufolge stieg die Fahrerin des Unfallwagens aus und machte ihm Vorwürfe, es habe den Unfall verursacht. Auch ein Gespräch mit der Mutter der Schülerin habe stattgefunden. Doch als die Mutter ins Haus ging, um die Polizei zu rufen, fuhr die Fahrerin mit dem Unfallfahrzeug davon.
Im Rahmen der polizeilichen Arbeit wurde – aufgrund der Schilderungen des Mädchens – der Halter eines dunkelblauen VW Scirocco ermittelt und ein Strafverfahren gegen die mit ihm in Hausgemeinschaft lebende Frau eingeleitet. Dem verletzten Mädchen wurden mehrere Fotos von Frauen vorgelegt – darunter auch eines der vermeintlichen Fahrerin. Doch die Schülerin erkannte darin nicht die Unfallfahrerin wieder. Auch keine der von den Zeugen als mögliches Kennzeichen benannten Kombinationen stimmte mit dem VW Scirocco überein. Zudem wies das Fahrzeug der vermeintlichen Fahrerin auch keinen Schaden auf, so dass das Verfahren eingestellt wurde.
Die Schülerin machte daraufhin Schmerzendgeld und Ersatz der bei dem Unfall beschädigten Sachen in Höhe von etwas über 5.000 Euro gegenüber der vermeintlichen Fahrerin, dem Halter des VW Scirocco und dessen Versicherer geltend.
Das zunächst angerufene Landgericht (LG) Saarbrücken hörte die von der Schülerin für das Verfahren benannten Zeugen an, ebenso wie das Mädchen und die vermeintliche Fahrerin. Letztere trug vor, dass sie an dem Unfalltag krank zuhause war, der Halter des Wagens ihr Gesellschaft geleistet habe und das Fahrzeug daher unbenutzt in der Garage stand. Sie konnte durch Atteste belegen, dass sie bereits Tage vor dem Unfall arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Zudem wohnte sie in einem Ort 20 Kilometer vom Unfallort entfernt und auch ihr Arbeitsweg führte nicht durch die Ortschaft, in der die Schülerin verletzt wurde.
Weil keines der möglichen, von einer der Zeuginnen benannten Kennzeichen mit dem des VW Scirocco übereinstimmte, der Wagen keine Beschädigungen aufwies und auch keiner der Zeugen – einschließlich der Schülerin – die vermeintliche Fahrerin als die Unfallfahrerin identifizieren konnte, wies das Landgericht die Klage mit Urteil vom 12.01.2018 (Az.: 6 O 55/17) zurück.
Damit gab sich die Schülerin nicht zufrieden und ging in Berufung. Das angerufene OLG Saarbrücken überprüfte das Urteil des Landgerichts, konnte jedoch keine Fehler bei der Urteilsfindung feststellen. Ausgehend von dem geschilderten Unfallhergang stellte das Gericht fest: Bei dieser Sachlage konnte eine Unfallbeteiligte nicht damit rechnen, eine Beteiligung leugnen zu können, vielmehr musste sie davon ausgehen, dass die Umstehenden sich das Kennzeichen notiert, möglicherweise sogar mit den heute allgegenwärtigen Smartphones fotografiert hätten, und dass die Beklagte zu 1 bei längerer Anwesenheit an der Unfallstelle wiedererkannt würde.
An einem eindeutigen Kennzeichen, dass zu dem VW Scirocco gepasst hätte, fehlte es jedoch.
Das neue Vorbringen der Schülerin, sie habe die Stimme der vermeintlichen Fahrerin während des Verfahrens wiedererkannt, überzeugte das Gericht nicht – immerhin wurde im Ermittlungsverfahren und im Verfahren vor dem Landgericht zu keinem Zeitpunkt von dem Mädchen erwähnt, dass sie die Stimme wiedererkennen würde. Zum anderen konnte das Mädchen das Foto der Fahrerin kurz nach dem Unfall nicht identifizieren. Folglich wies das Gericht die Berufung zurück.
Ein Unfall passiert oft im Bruchteil einer Sekunde – eine kurze Unaufmerksamkeit, eine vermeintlich harmlose Ablenkung oder ein Kind, dass plötzlich auf die Straße läuft. Wenn es zum Schaden am Fahrzeug kommt, ist dies ärgerlich, in vielen Fällen aber durch eine Reparatur zu beheben. Auch viele Verletzungen heilen mit der Zeit ab.
Doch eine Frage bleibt: Wer kommt für den Schaden auf? Daher ist es besonders wichtig, vor allem das Kennzeichen des Unfallgegners festzuhalten. Dies stellt die zuverlässigste Möglichkeit dar, den Versicherer des Fahrzeuges zu ermitteln, der den Schaden reguliert. Bei ausländischen Fahrzeugen kommt noch die Landeskennung hinzu, um den Versicherer feststellen zu können.