OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.06.2025 – Az. 30 W 73/25
In dem Fall, über den das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zu befinden hatte, ließ der Geschädigte sein Auto nach einem Auffahrunfall zunächst von einem Sachverständigen begutachten und danach. Nachdem die Reparatur erledigt war, forderte er den Versicherer mehrfach zur Zahlung auf. Dieser regte sich jedoch nicht.
Dem Gesetz zufolge, ist Schadenersatz sofort fällig und Schädiger müssen umgehend leisten. Das ergibt sich so aus § 271 BGB. Da nach einem Unfall jedoch nicht immer klar ist, ob und in welchem Umfang der Versicherer des Unfallgegners leisten muss, ist ihm eine angemessene Zeit zur Prüfung zuzubilligen.
Wie lange diese Zeit sein darf, hängt unter anderem von der Komplexität des Einzelfalls ab. Je komplexer der Fall ist, desto länger darf auch die Prüfungsfrist sein. Ein Versicherer darf jedoch nicht „ewig“ prüfen. Die Gerichte gestehen Versicherern hierfür einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen zu.
Dies gilt jedoch nur, wenn dem Versicherer alle entscheidungserheblichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden. Der Lauf der Prüfungsfrist beginnt nämlich nicht mit dem Unfallereignis, sondern erst nach dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens (vgl. z.B. OLG Rostock, Beschl. v. 09.01.2001, Az. 1 W 338/98). Das ist aber nicht jedem Geschädigten auch so bewusst.
Die Folge ist, wie das OLG Frankfurt in seinem Urteil klargestellt hat, dass der Versicherer nicht in Verzug gerät. Die Regulierung verzögert sich schließlich nur, weil der Versicherer die aus nachvollziehbaren Gründen geforderten Informationen nicht vollständig erhalten hat.
Das ist auch nachvollziehbar. Denn gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat „wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“. Hierfür muss der Versicherer aber wissen, welche Schäden bereits vor dem Unfall da waren und welche nicht. Denn die Reparatur vor Vor- oder Altschäden will (und muss) der Versicherer des Unfallverursachers eben nicht bezahlen
Wenn das verunfallte Fahrzeug bereits vor dem Unfall beschädigt war, d.h. einen Vorschaden aufgewiesen hat, muss dies dem Versicherer mitgeteilt werden. Ob der Vorschaden repariert wurde oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
Der Versicherer kann die Regulierung solange jedenfalls verweigern, bis ihm die erforderlichen Informationen, z.B. in form von Reparaturbelegen, vorliegen. Fordert der Versicherer diese beim Geschädigten an und dieser händigt sie ihm nicht aus, muss sich der Versicherer die dadurch herbeigeführte Verzögerung nicht vorwerfen lassen.
Denn eine der Voraussetzungen für den Verzug des Versicherers und Anlass zur Klage ist nun einmal, dass er nicht leistet, obwohl die Leistung fällig ist, z.B. nachdem der Geschädigte seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat. Denn ein Anlass zur Klage besteht regelmäßig dann nicht, wenn der bei einem Kfz-Unfall Geschädigte berechtigterweise angeforderte Auskünfte zu erteilen und Belege nicht zur Verfügung zu stellt (z.B. OLG Schleswig, Beschl. v. 30.05.20216, Az. 7 W 15/16; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.12.2011, Az. 1 W 61/11; AG Köln, Urt. v. 25.10.2012, Az. 272 C 152/12).
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Geschädigte dazu berechtigt sind, die Übersendung von Unterlagen – beispielsweise von Protokollen oder Kopien – von einer Kostenübernahmeerklärung des Versicherers abhängig zu machen (LG Stuttgart, Urt. v. 07.11.2019, Az.19 O 95/19; s.a. OLG Köln, Beschl. v. 20.10.2010, Az. 3 W 55/10).
Das Problem ist, dass Versicherer erfahrungsgemäß genau wissen, welche Unterlagen erforderlich sind und welche nicht. Bei einem Geschädigten ist das in der Regel nicht der Fall. Denn während die Abwicklung von Verkehrsunfällen zum Tagesgeschäft der Versicherer gehört, erleidet der normale Mensch – rein statistisch betrachtet – zufolge alle sieben Jahre einen Autounfall.
Versicherer fordern daher immer wieder auch Unterlagen und Nachweise an, die ihnen gar nicht zustehen. Im Anschluss nutzen Sie dann die so erlangten Informationen, um eine Kürzung des Ersatzanspruchs zu konstruieren. Fair ist das nicht.
Die Prüfungsfrist, die dem Haftpflichtversicherer einzuräumen ist, beginnt nicht mit dem Unfallereignis, sondern erst mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens.
Damit Geschädigte nicht übervorteilt, sondern vollständig entschädigt werden, haben sie Anspruch auf die Einschaltung eines Anwalts.
Sollten Sie Opfer der Statistik geworden und in einen Unfall verwickelt worden sein, kontaktieren Sie uns!
Wir wissen genau, was den Versicherer etwas angeht und was nicht, und wir wissen, was zu tun ist, damit Sie die Entschädigung erhalten, die Ihnen zusteht! Zur Vorfinanzierung sind Geschädigte in der Regel übrigens nicht verpflichtet!
Sie wissen ja: Voigt regelt!
BiIdnachweis: Dr. Wolf-Henning Hammer