Ein Taxi hielt in einer Einbahnstraße am linken Fahrbahnrand und der Fahrgast stieg durch die hintere rechte Tür aus. Dadurch kollidierte ein anderes Fahrzeug mit der geöffneten Taxitür und es entstand ein Schaden von rund 10.000 Euro. Der Haftpflichtversicherer des Taxis regulierte den Schaden des anderen Fahrzeugs und forderte eine Erstattung der regulierten Summe vom Fahrgast. Weil dieser die Erstattung verweigerte, ging die Angelegenheit vor Gericht.
Das zunächst angerufene Landgericht (LG) Aachen (Urteil vom 26.04.2019 – Az. 26.04.2019) sprach dem Versicherer zunächst die Hälfte der regulierten Summe zu. Begründet wurde dies damit, dass der Taxifahrer den Unfall dadurch mitverschuldet habe, dass er am linken Fahrbahnrand hielt, was die Gefahr für einen derartigen Unfall erhöht habe. Ob der Taxifahrer den Fahrgast darauf hinwies, vor dem Aussteigen auf den Verkehr zu achten, sei dabei irrelevant. Seine Pflicht sei es vielmehr gewesen zu verhindern, dass der Fahrgast zur Straßenseite hin aussteigt. Der Versicherer müsse sich dieses Mitverschulden anrechnen lassen.
Der Versicherer konnte das Urteil nicht nachvollziehen, schließlich habe der Taxifahrer aus seiner Sicht zulässigerweise in einer Einbahnstraße und auf Wunsch des Fahrgastes auf der linken Seite gehalten. Ohnehin habe ein Bauzaun das Parken auf der rechten Seite verhindert. Der Versicherer wollte sich mit diesem Urteil nicht zufrieden geben und ging in Berufung – mit Erfolg.
Das OLG Köln sah einen Verstoß des Fahrgastes gegen § 14 Abs.1 StVO, wonach sich der Ein- oder Aussteigende so verhalten muss dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist
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Ein Verschulden des Taxifahrers sah das OLG dagegen nicht. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung übersehen, dass es sich bei der Straße, in der es zum Unfall kam aus dem Stadtplan ersichtlich (und damit offenkundig) um eine Einbahnstraße handelt
so dass nach § 12 Abs. 4 Satz 4 StVO am linken Fahrbahnrand gehalten werden durfte.
Bei der Frage, ob der Taxifahrer den Fahrgast hätte warnen oder gar ein Aussteigen auf der rechten Seite verhindern müssen, fand das Gericht deutliche Worte: Der [Fahrgast] ist ein Erwachsener, der in erster Linie allein für sein Verhalten im Straßenverkehr verantwortlich ist. Soweit er in diesem Zusammenhang geltend macht, der Taxifahrer habe ihn neben der fehlenden Mahnung zur Vorsicht beim Aussteigen auch nicht darauf hingewiesen, dass der Wagen auf der linken Straßenseite zum Halten gekommen sei, zeigt dies in eindringlicher Weise, welch hohe Unaufmerksamkeit der [Fahrgast] im Hinblick auf das Verkehrsgeschehen an den Tag gelegt hat. Denn der konkrete Haltepunkt des Taxis war für jeden Fahrgast, der die Augen geöffnet hat, klar zu erkennen.
Das OLG sprach daher dem Versicherer die volle Erstattungssumme zu.
Jeder Verkehrsteilnehmer ist für sein Handeln verantwortlich, daher sollte mit Vorsicht aus einem Fahrzeug ausgestiegen werden. Kommt es zum Unfall, ist in der Regel zunächst der Kfz-Haftpflichtversicherer für die Regulierung des entstandenen Schadens verantwortlich.
Doch gerne wird die Regulierung der Schäden gerne abgelehnt, wenn der Beifahrer den Schaden verursacht. Dann heißt es beispielsweise, der Versicherer müsse nicht für Schäden einstehen, die vom Beifahrer verursacht wurden, was vom LG Saarbrücken in seinem Urteil vom 20.11.2015 (Az. 13 S 117/15) richtig gestellt wurde: Der Umstand, dass vorliegend ein Fahrzeuginsasse, der weder Halter noch Fahrer des Fahrzeugs war, den Unfall durch das Öffnen der Beifahrertür verursacht hat, steht [der Haftung] nicht entgegen.
Gerne wird auch zur Begründung herangezogen, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer nur für Schäden einzustehen habe, die beim Betrieb des Fahrzeugs entstehen (vgl. Benzinklausel). Das beim Aussteigen bereits geparkte Fahrzeug sei aber gerade nicht mehr im Betrieb. Hier fand der EuGH in seinem Urteil vom 15.11.2018 (Az. C-648/17) klare Worte. In der Urteilsbegründung heißt es, dass dieser Begriff jede Benutzung eines Fahrzeugs umfasst, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht (
). [D]as Öffnen der Tür eines Fahrzeugs [stellt] eine Verwendung dieses Fahrzeugs [dar], die dessen Funktion als Transportmittel entspricht, da das Öffnen u. a. das Ein- und Aussteigen von Personen oder das Beladen mit und Entladen von Gütern ermöglicht, (
). An dieser Schlussfolgerung ändert nichts, dass die im Ausgangsverfahren betroffenen Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt standen und sich auf einem Parkplatz befanden. (
). Das Öffnen der Türen erfolgt im Allgemeinen nur, wenn die Fahrzeuge stehen.
Eine allgemeine Hinweispflicht gegenüber den Fahrzeuginsassen besteht – wie gerne behauptet – jedoch nicht. Lediglich bei Kindern und hilfsbedürftigen Personen, die das Verkehrsgeschehen nicht überblicken können, kann dagegen eine Garantenpflicht bestehen, die einen Hinweis zur Vorsicht erforderlich machen würden.
Um vermeidbaren Problemen bei der Regulierung eines entstandenen Schadens von vornherein vorzubeugen, wenden Sie sich gerne an uns.
Voigt regelt!