Landgericht Stuttgart, Urteil vom 25.04.3034, Az. 30 O 154/23
Grundsätzlich ist dagegen auch nichts einzuwenden, denn – auch wenn Versicherer und Börsen es gerne anders hätten – Herr des Verfahrens ist nach wie vor der Geschädigte. Das heißt, dubiose Angebote müssen nicht akzeptiert werden, bei Privatpersonen genügen drei Gebote des regionalen Marktes und Geschädigte sind in der Abwicklung weitgehend frei. Das gilt auch für die Frage, ob ein beschädigtes Fahrzeug verkauft werden darf, bevor der Versicherer ein Angebot vorgelegt hat.
Die Versicherer scheint dies aber nicht zu stören, wie kürzlich ein Urteil des Landgerichts Stuttgart zeigt, das den Versicherer in seine Schranken wies. In dem zu entscheidenden Sachverhalt hatte der Versicherer des Unfallgegners behauptet, den Geschädigten um Rücksprache vor dem Verkauf des Fahrzeugs gebeten zu haben. Begründet hatte der Versicherer das damit, in vielen Fällen ein höheres Restwertangebot unterbreiten und das Fahrzeug kostenlos abholen lassen könne. Den Zugang eines entsprechenden Schreibens konnte der Versicherer jedoch nicht beweisen.
Der Geschädigte hatte von seinem Recht nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch gemacht, die Schadensbeseitigung unabhängig vom Schädiger in die eigenen Hände zu nehmen und in eigener Regie – auf dem regionalen Markt – durchzuführen. Lediglich die Obliegenheit zur Schadenminderung ist dabei zu beachten. Behauptet der Schädiger dann, der Geschädigter habe diese Obliegenheit verletzt, dann muss er dies beweisen. Diesen Beweis blieb der Versicherer jedoch schuldig.
Im Übrigen sind Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet, den gegnerischen Haftpflichtversicherer über einen beabsichtigten Verkauf des Fahrzeugs zu informieren, um ihm so die Einholung eines höheren Angebots zu ermöglichen. Andernfalls würde seine Ersetzungsbefugnis gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB unterlaufen werden (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2010, Az. VI ZR 35/10). Zudem bedeutet eine Rücksprache mit dem Versicherer nicht, dass dieser tatsächlich auch ein höheres Angebot vorlegen kann, als es der Geschädigte erzielen konnte.
Etwas Anderes kann nur gelten, wenn der Versicherer dem Geschädigten bereits vor dem Verkauf des Fahrzeugs ein annehmbares Angebot unterbreitet hat.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart bestätigt: Geschädigte dürfen die Abwicklung des Schadens selbst in die Hand nehmen, ohne ein Restwertangebot des gegnerischen Versicherers abwarten zu müssen. Dies gilt selbst dann, wenn der vom Schädiger beauftragte Sachverständige lediglich zwei Gebote aus dem regionalen Umfeld erhalten hat.
Das ist auch folgerichtig. Denn die Pflichten des Sachverständigen richten nach dem erteilten Auftrag und nicht nach dem Interesse des gegnerischen Versicherers an einer besonders kostensparenden Schadensabrechnung. Und wo Geschädigter nicht dazu verpflichtet sind überregionale, möglicherweise dubiose (Internet-) Angebote zu berücksichtigen, müssen auch Gutachter diese nicht in ihre Gutachten einbeziehen. Werden dann – trotz fachgerechter Vorgehensweise – nicht mehr als zwei regionale Angebote abgegeben, müssen diese ausreichen.
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