Nicht nur das Ein- und Ausparken bei Einkaufszentren oder vor Geschäften erfordert besondere Aufmerksamkeit. Das Ein- und Aussteigen ist ebenfalls mit Besonderheiten verbunden. Dies musste eine Autofahrerin (spätere Beklagte) erfahren, die aussteigen wollte, als eine andere Autofahrerin in den benachbarten Parkplatz fuhr und mit der geöffneten Fahrertür ihres Fahrzeugs kollidierte.
Die Fahrerin des einfahrenden Autos erklärte, die Tür sei geöffnet worden, als sie sich bereits in der Parklücke befunden habe. Die Beklagte hingegen äußerte, sie habe die Tür erst dann leicht geöffnet, nachdem sie sich nach hinten vergewissert hatte, ob dort frei gewesen sei. Weiterhin gab sie an, die andere Fahrerin sei mit überhöhter Geschwindigkeit in die Parklücke eingefahren und habe die geöffnete Fahrertür wohl übersehen.
Da sich der Sachverhalt nicht aufklären lies, teilte das Gericht der ersten Instanz die Haftung – im Verhältnis von 50/50 – zwischen den Parteien auf. Der Halter des einfahrenden Fahrzeugs (Kläger) legte Berufung ein. Er meinte, die Beklagte habe ihre Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen verletzt und die Fahrerin seines Fahrzeugs habe kein Verschulden getroffen.
Wer aussteigt muss aufmerksam sein
Das Berufungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die – in § 14 StVO geregelten – besonderen Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen, dem Schutz des fließenden Verkehrs dienten und die Norm auf Parkplätzen grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung
finde (s.a. LG Saarbrücken, Urt. v. 22.02.2013, Az. 13 S. 202/12). Allerdings müsse aufgrund des allgemeinen Rücksichtnahmegebots (§ 1 Abs. 2 StVO) vor dem Öffnen einer Tür sicher zu gestellt sein, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt werde. Dies gelte insbesondere, wenn die bereits geöffnete Tür in die daneben liegende Parkbucht hineinragt und dadurch die Gefährlichkeit des Zusammenstoßes mit einem einfahrenden Fahrzeug erhöht ist
(vgl. LG Saarbrücken, Urt. v 09.03.2018, Az. 13 S 158/17).
Ob der Unfall für die Fahrerin des einparkenden Fahrzeugs unabwendbar war, blieb offen. Jedenfalls konnte nicht festgestellt werden, ob sie hinreichend vorsichtig agiert und sofort angehalten hatte. Der Kläger musste sich dies zu seinen Lasten anrechnen lassen.
Jedenfalls stellte das Gericht fest, dass derjenige, der in eine Parklücke einfährt, in gleichem Maße zur Sorgfalt verpflichtet sei, wie die Insassen eines neben der Lücke abgestellten Fahrzeugs. Wörtlich heißt es in dem Urteil: Insbesondere wenn der Einfahrende konkreten Anlass dafür hat, mit einem Türöffnen des bereits eingeparkten Fahrzeugs zu rechnen, muss er danach noch vorsichtiger sein als ohnehin schon geboten
.
Am Ende kam das Gericht zu einer Haftungsverteilung von 75:25 zu Gunsten des Klägers. Den Ausschlag gaben die besonderen Pflichten, die ein Aussteigender beim Öffnen der Tür hat. Dem Kläger wurde ein Mitverschulden nur deshalb zugerechnet, weil er nicht nachweisen konnte, dass die Fahrerin seines Fahrzeugs angemessen langsam in die Parklücke hinein gefahren war und eine Kollision mit der – von der Beklagten geöffneten – Tür nicht mehr vermieden werden konnte.
Warum eine gesteigerte Aufmerksamkeit auch in Parkhäusern von Nutzen ist, kann hier nachgelesen werden.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Um schadenfrei durch den Parkplatzdschungel zu navigieren, ist insbesondere beim Ein- und Ausparken eine besondere Sorgfalt erforderlich. Demjenigen der dies beachtet, aber dennoch in einen Unfall verwickelt werden sollte, ist der Weg zum Anwalt zu empfehlen, denn nicht immer wird die standardmäßige Quote von 50:50 bei Parkplatzunfällen der Situation auch gerecht (Rückwärts aus der Parklücke: Bei Kollision gilt nicht immer die 50%ige Haftungsquote).