LG München II Endurteil v. 22.9.2023, Az. 2 O 1673/22
Ausgelöst wurde der Zusammenstoß durch eine Verkettung unglücklicher Umstände. Denn während eine Fahrerin mit ihrem Auto rückwärts aus der Waschbox manövrierte und dabei nach rechts lenkte, setzte die spätere Klägerin mit ihrem Fahrzeug zeitgleich aus der benachbarten Box zurück. Das jeweils andere Auto bemerkte keine der Fahrerinnen. Es kam zur Kollision, bei der beide Fahrzeuge beschädigt wurden.
Die Klägerin behauptete, sie habe bereits gestanden und, weshalb der Unfall für sie unvermeidbar gewesen sei. Zudem würde das Verschulden der anderen Fahrerin so schwer wiegen, dass die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs vollständig dahinter zurücktrete.
Die erste Fahrerin betreffend, kam das Gericht zu dem Ergebnis, es sei vorhersehbar und vermeidbar gewesen, dass das eigene Fahrzeug beim Zurücksetzen und bei der Richtungsänderung nach rechts mit dem zur selben Zeit aus der rechts benachbarten Waschbox herausfahrenden PKW kollidieren könnte. Bei Anwendung der Sorgfalt einer besonnen und gewissenhaften Kraftfahrerin, hätte die Kollision vermieden werden können. Angesichts der Kollision sei aber davon auszugehen, dass eben diese Sorgfalt nicht hinreichend beachtet worden sei.
Was die Klägerin betraf, so hatte diese zwar behauptet, sie habe zum Zeitpunkt der Kollision gestanden. Die Feststellungen des Sachverständigen zeichneten aber ein ganz anderes Bild. Denn dieser konnte „Hinweise finden, dass zum Kontaktbeginn das Fahrzeug … nach hinten gerichtet in Bewegung gewesen sei.“
Folglich hätte also auch die Klägerin den Unfall vermeiden können, wenn sie frühzeitig reagiert und ihr Fahrzeug angehalten hätte.
Das Gericht hatte sich die Ausführungen des Sachverständigen zu eigen gemacht, ein unabwendbares Ereignis ausgeschlossen und bei beiden Fahrerinnen eine Mitschuld gesehen. Im Rahmen der Haftungsverteilung musste es daher “nur noch” die jeweiligen Verschuldensanteile berücksichtigen. Besondere Bedeutung sollten dabei § 1 und § 9 Abs. 5 StVO haben.
Aus § 1 StVO folgt, dass Rückwärtsfahren auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken ist. Und wer auf einem Parkplatz zurücksetzt, muss sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten können (§ 9 V StVO).
Ereignet sich beim Rückwärtsfahren eine Kollision, bei der der Rückwärtsfahrende selbst noch nicht gestanden hatte, spricht der Beweis des ersten Anscheins deshalb für eine entsprechende Verletzung der Sorgfaltspflicht und eine Mitverursachung (vgl. BGH. Urt. v. 15.12.2015, Az. VI ZR 6/15).
Dem Gericht zufolge, hat ein Kraftfahrer sich vor Beginn des Zurücksetzens darüber zu vergewissern, dass der Raum hinter seinem Fahrzeug auch in den Bereichen frei ist, die er im Rückspiegel nicht übersehen kann (OLG Nürnberg, Urteil vom 15.12.1989 – 6 U 2012/89). Zudem ist darauf zu achten, dass kein anderer von der Seite oder von hinten in den Gefahrenraum gelangt und erforderlichenfalls muss sofort angehalten werden können (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.02.2016, Az. I-1 U 79/15; OLG Köln, Urteil vom 15.12.1993 – 13 U 162/93).
Diese Grundsätze hatten aber beide Beteiligten nicht hinreichend berücksichtigt. Nach seiner Abwägung kam das Gericht deshalb zu einer Haftungsverteilung von 1/3tel zu 2/3tel zu Lasten der beklagten Autofahrerin. Die Behauptung, die spätere Klägerin habe den Schaden alleine verursacht, konnte ihr daher ebenso wenig helfen, wie die Klägerin sich mit der Behauptung “sie habe bereits gestanden” aus der Affäre ziehen konnte.
Wer in einen Unfall verwickelt worden ist, sollte die Wahrnehmung seiner Rechte gleich einem erfahrenen Rechtsanwalt übertragen. Ansonsten besteht – wie hier – die Gefahr, dass der Versicherer des Unfallgegners die Forderung mit einem einfachen Satz zurückweist, ohne sich mit der erforderlichen Sorgfalt mit der Sache befasst zu haben. Aber selbst wenn der Anspruch dem Grunde nach zugestanden werden sollte, bedeutet dies noch lange nicht, dass der Schadenersatz auch tatsächlich in der geschuldeten Höhe geleistet wird.
Abschließend sei angemerkt, dass Eigenaufwendungen sich oftmals durch die geschickte Anwendung des Quotenvorrechts erheblich reduzieren lassen. Dies soll hier aber nicht weiter vertieft werden, sondern dem persönlichen Gespräch im Bedarfsfall vorbehalten bleiben.
Denn auch bei Unfällen mit Teilverschulden gilt: Kontaktieren Sie uns!