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Versicherer müssen sich am Geschädigten orientieren!

§ 249 Abs. 1 BGB verpflichtet den Schädiger - z.B. nach einem Verkehrsunfall - dazu, den Geschädigten so zu stellen, als hätte das schädigende Ereignis nicht stattgefunden. Im Zentrum steht dabei der Begriff der subjektbezogenen Schadenbetrachtung. Was das genau bedeutet, damit hat sich unter anderem das AG Kassel in seinem Urteil vom 14.04.2021, Az. 435 C 449/21 ausführlich befasst.
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14.06.2021
ca. 4 Minuten
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§ 249 Abs. 1 BGB verpflichtet den Schädiger – z.B. nach einem Verkehrsunfall –  dazu, den Geschädigten so zu stellen, als hätte das schädigende Ereignis nicht stattgefunden.  Der Geschädigte darf das Auto also reparieren lassen, sich zur Ermittlung des Schadens eines Sachverständigen bedienen und, damit z.B. der Versicherer seine Rechte nicht in unzulässiger Weise beschneidet, einen Anwalt nehmen. Im Zentrum der Rechte des Geschädigten steht dabei der Begriff der subjektbezogenen Schadenbetrachtung. Was das genau bedeutet, damit hat sich unter anderem das AG Kassel in seinem Urteil vom 14.04.2021, Az. 435 C 449/21 ausführlich befasst.

Was ist zu ersetzen?

Der Umfang des Ersatzes richtet sich aber nicht nur nach Art und Ausmaß des Schadens und dem sich daraus ergebenden Reparaturaufwand oder den örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten, sondern auch nach den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten.
Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass Reparaturkosten daher nicht nach „Schema F“ oder designten Prüfberichten, sondern so zu erstatten sind, wie sie „vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens als erforderlich im Sinne von zweckmäßig und angemessen erscheinen“ (vgl.  BGH, Urt. v. 15.02.2005, Az. VI ZR 70/04; Urt. v. 12.10.2004, Az.  VI ZR 151/03; Urt. v. 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90).

Wie weit geht der Ersatzanspruch?

Aber so wenig wie Prüfberichte die Kosten ad libitum nach unten korrigieren dürfen, darf ein Geschädigter nicht ohne Rücksicht auf die Kosten frei drauf los reparieren (lassen). Wo er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, muss er das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten und im Rahmen des ihm Zumutbaren, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH, Urt. v. 09.03.2010, Az. VI ZR 6/09) Dass der Höhe einer Reparaturkostenrechnung regelmäßig Grenzen gesetzt sind leuchtet schon in Hinblick auf die Pflicht zur Schadensminderung im Sinne des § 254 BGB, mehr als ein. So weit, dass der Geschädigte zu Gunsten des Schädigers sparen oder sich in jedem Fall so verhalten muss, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGH, Urt. v. 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90), geht die Pflicht dann aber doch nicht.
Schließlich kann von keinem Geschädigte erwartet werden, dass er sich selber schlechter stellt, indem er zu Gunsten des Schädigers Verzicht übt oder überobligatorische Anstrengungen unternimmt, wie er es z.B. bei einem Eigenschaden getan hätte.

Was gilt für die Feststellung des Schadens?

Was die Feststellung des Schadens betrifft, sind nicht nur neutrale objektive Kriterien maßgeblich, sondern auch die, in der Person des Geschädigten begründeten,  subjektbezogenen Aspekte BGH Urt. v. 17.03.1992, Az. VI ZR 226/91; Urt. v. 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90; Urt. v. 26.05.1970, Az. VI ZR 168/68
Im Detail ist der erforderliche Herstellungsaufwand also mit Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2005, Az. VI ZR 132/04; v. 29.04.2003, Az. VI ZR 398/02 ; v. 07.05.1996, Az. VI ZR 138/95; v. 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90).

Geschädigte sind nicht auf sich allein gestellt!

Und da Geschädigte nun einmal nur im Ausnahmefall über das erforderliche Fachwissen verfügen, dürfen sie zur zutreffenden Ermittlung des Schadens Fachleute, d.h. Sachverständige heranziehen (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73). Der Sachverständige, den der Geschädigte übrigens frei wählen darf, hat dann den Schaden zu begutachten, die erforderlichen Schritte zur Instandsetzung zu ermitteln und deren Kosten zu kalkulieren und schriftlich niederzulegen. Die so ermittelten Reparaturkosten, darf der Geschädigte als zweckmäßig und angemessen betrachten (vgl. BGH, Urt. v. 15.02.2005, Az. VI ZR 70/04; 12.10.2004, Az. VI ZR 151/03; v. 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90)  und die Werkstatt seiner Wahl mit der Instandsetzung gemäß Gutachten beauftragen.

Prognose- und Werkstattrisiko gehen zu Lasten des Schädigers

Sollte sich während der Reparatur herausstellen, dass weitere unfallbedingte Instandsetzungsarbeiten erforderlich sind, geht dieses Prognoserisiko  zu Lasten des Schädigers.
Dies gilt auch für das Werkstattrisiko, wenn unnötige Arbeiten, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten der Berechnung von Arbeiten erfolgen, die nicht oder in nicht entsprechend den Vorgaben des Gutachtens ausgeführt worden sind. Denn „sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und inwieweit sodann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden.“ Wenn dies zu seinen Lasten ginge, würde er einen Teil seiner aufgewendeten Kosten nicht ersetzt bekommen (vgl. AG Neuss, Urt. v. 09.08.2016, Az. 77 C 1425/16, m.w.N.).

Geschädigte sind von externen Risiken frei zu halten!

Schließlich ist kein Grund dafür ersichtlich, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Denn, so bringt es das AG Kassel zutreffend auf den Punkt, „hätte der Schädiger selbst die Schadensbeseitigung übernommen, hätte er sich in gleichem Maße mit einem entsprechenden Verhalten des Reparaturbetriebes auseinandersetzen müssen. Folglich ist kein anerkennenswerter Grund ersichtlich, der es ermöglichen kann, diese Auseinandersetzung, die der Schädiger aufgrund seiner Verantwortung für das Schadensereignis zu führen hat, auf den insoweit verursachungsbeitragslosen Geschädigten abzuwälzen.“
Dem ist vollumfänglich zuzustimmen. Denn abgesehen davon, dass redliche Unfallopfer sich nicht freiwillig in die Rolle des Geschädigten begeben, würde es dem Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, „wenn der Geschädigte bei der Wiederherstellung des vorherigen Zustandes im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss“ (BGH, Urt. v. 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73).

Zusammenfassung

Der Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB besteht darin, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist daher sowohl Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten als auch seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH, Urt. v. 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90, v. 15.10.1991, Az. VI ZR 67/91).

Bildnachweis: Pixabay/Tumisu

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