Wer mit seinem Auto in einen Unfall verwickelt wird und einen Sachschaden erleidet möchte, dass das Fahrzeug schnellstmöglich wieder repariert und in einen verkehrssicheren, fahrfähigen Zustand versetzt wird. Je nach Schwere des Schadens, lässt er das Fahrzeug dann durch einen Sachverständigen begutachten und gibt es in eine Werkstatt zur Reparatur. Idealerweise und um sich den vollständigen Ersatz des ihm zustehenden Schadens zu sichern, nimmt er die Abwicklung dabei nicht selber in die Hand oder hört auf süße Versprechungen des Schadenmanagements, sondern übergibt die Sache einem Anwalt. Sowohl das OLG Frankfurt (Urt. v. 02.12.2014, Az. 22 U 171/13) als auch das AG München (Urt. v. 31.05.2021, Az. 343 C 110/21) haben festgestellt, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen von vornherein als erforderlich anzusehen ist. Der Versicherer des Unfallverursachers hört dies zwar gar nicht gern, da dies seine Schadenaufwendungen erhöht – allerdings führen aber gerade Einsparungen im Schadenfall regelmäßig zu Benachteiligungen des Geschädigten.
Inzwischen wissen Geschädigte, dass sie nicht nur einen Anspruch auf vollständigen Schadensersatz haben, sondern sowohl den Sachverständigen als auch die Werkstatt im Haftpflichtfall grundsätzlich frei wählen können, versuchen die Schadensabteilungen entschädigungspflichtiger Versicherer vehement, nicht nur das Vertrauen zwischen Geschädigten und Werkstatt zu untergraben, sondern auch bei den Werkstätten oder Sachverständigen Regress zu nehmen.
Geschädigte dürfen aber nun einmal darauf vertrauen, dass die in dem unabhängig erstellten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und sie der Werkstatt den Auftrag erteilen können, gemäß Gutachten zu reparieren. Die Praxis etlicher Versicherer bestand und besteht daher darin, das Vertrauen des Geschädigten in die Werkstatt zu erschüttern. Zu diesem Zweck werden – nach Ihren Vorgaben oder durch eigene Gesellschaften erstellte Prüfberichte vorgelegt und der geschuldete Schadensersatz verweigert. Allerdings haben die Gerichte inzwischen nicht nur die Wertlosigkeit dieser „auf Knopfdruck erstellten“ Ausdrucke (z.B. AG Rheine, Urt. v. 31.08.2020, Az. 10 C 30/20), sondern auch erkannt, dass diese ein fachkundig erstelltes Sachverständigengutachten nicht ersetzen können. Die Folge war, dass immer mehr Versicherer die Prozesse verloren.
Angesichts der zunehmenden Niederlagen vor Gericht, wird die Werkstattrechnung jetzt zunächst bezahlt 8und der Geschädigte rechtskonform und vollständig entschädigt. Die Entschädigungszahlung wird dabei allerdings von der der Abtretung etwaiger Rückforderungsansprüche gegen die Werkstatt verknüpft. Schadensrechtlich ist das auch durchaus legitim. An der Wertlosigkeit der hierfür herangezogenen Prüfberichte ändert dies jedoch nichts.
Um ihre Aufwendungen dennoch zu senken, fordern Versicherer Werkstätten in letzter in letzter Zeit vermehrt dazu auf, ihre Einkaufsrechnungen offen zu legen. Offensichtlich soll der Werkstatt damit das Recht abgesprochen werden, selber an einer fremd vergebenen Dienstleistung zu verdienen. Was Versicherer durch niedrige Stundenverrechnungssätzen mit Partnerwerkstätten selber praktizieren – nämlich ihre Marge erhöhen – soll umgekehrt bei Werkstätten plötzlich illegal sein.
AG Otterndorf weist Versicherer in die Schranken!
Das AG Otterndorf hat in einem Urteil vom 10.02.2022 (Az. 2 C 239/21) gut nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Versicherer auch mit ihrer geänderten Taktik voraussichtlich keinen Erfolg haben werden. Dass überhöhte Rechnungen vorkommen oder Geschädigte gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen können und dass Versicherer in diesen Fällen ein Rückforderungsrecht zusteht, soll hier nicht in Frage gestellt werden. In Frage gestellt werden soll allerdings, weshalb ein Versicherer mehr Rechte gegenüber der Werkstatt haben soll, als sie der Geschädigten als Auftraggeber hatte. Denn wo ein Versicherer sich den Anspruch des Geschädigten gegenüber der Werkstatt abtreten lässt, erwirbt damit zwar die Rechtsstellung des Geschädigten; mehr aber auch nicht (s.a. LG Bremen, Urt. v. 22.12.2021, Az. 4 S 187/21. Und so wenig ein Auftraggeber den Werkunternehmer zur Offenlegung seiner Kalkulation zwingen kann, sowenig kann ein Versicherer dies aus abgetretenem Recht tun. Eine Abtretung führt zwar zur Verlagerung der Ansprüche – nicht aber zu einem Zuwachs der damit verbundenen Rechte. Weshalb allerdings im Werkvertragsrecht aus § 242 BGB eine Pflicht zur Offenlegung der Kalkulation erwachsen sollte, ist nicht erkennbar. Das mitunter – sachfremd – zitierte Urteil des BGH vom 09.11.2011 (Az. XII ZR 136/09) erging in einem Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes. Mit „Unfallschadensrecht“ hatte dies – wenn überhaupt – bestenfalls im übertragenen Sinne etwas zu tun.
Wer sich als Betrieb mit der Forderung zur Offenlegung seiner Kalkulation konfrontiert sieht, sollte dieser Aufforderung keineswegs leichtfertig nachkommen. Wer dies tut, gefährdet nicht nur seine Marge, sondern leistet gegenüber der Versicherungswirtschaft Vorschub, die Verdienstmöglichkeiten der Werkstätten im Schadensgeschäft noch weiter einzuschränken. In Hinblick auf die Entwicklungen in der Vergangenheit gilt auch hier: Wehret den Anfängen. Wir als ETL-Kanzlei Voigt regeln das für Sie!
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