Gewerbliche Händler, die Onlineplattformen für den Verkauf nutzen, sind an die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gebunden. Sie müssen unter anderem auch eine Datenschutzerklärung vorhalten. Erfüllt ein Händler die Anforderungen der DS-GVO nicht, kann ein betroffener Verbraucher rechtliche Schritte einleiten. Doch wie steht es um einen Wettbewerbsverband, dessen Daten nicht betroffen sind? Mit dieser Frage befasste sich jüngst das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in seinem Urteil vom 27.02.2020 (Az.: 2 U 257/19).
Was war passiert?
Ein Händler bot im Juli 2018 auf eBay Autoreifen zum Sofortkauf an. Als Anbieter gab er seine Firma sowie die Kontaktdaten (Anschrift, Telefon- und Faxnummer sowie E-Mail-Adresse an). Eine Datenschutzerklärung dagegen war nicht vorhanden. Ein Wettbewerbsverband sah dies und mahnte den Händler ab. Als dieser nicht reagierte, verklagte der Verband letzten Endes den Reifenhändler.
Die zunächst angerufene Kammer für Handelssachen (KfH) des Landgerichts (LG) Stuttgart (Urteil vom 20.05.2019 – Az.: 35 O 68/18 KfH) wies die Klage ab. Zum einen stützte der Wettbewerbsverband seine Klage auf eine durch die DS-GVO abgelöste Norm (§ 13 Telemediengesetz), zum anderen sah das Landgericht keinen Unterlassungsanspruch des Wettbewerbsverbandes, der sich aus der DS-GVO ergäbe.
Damit gab sich der Verband nicht zufrieden und ging in Berufung.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Das Oberlandesgericht Stuttgart setzte sich intensiv mit den Fragen auseinander, ob der Wettbewerbsverband überhaupt klagen durfte und ob er auch einen Anspruch auf Unterlassung gegen den Händler hatte. Sowohl die Frage, ob Wirtschaftsverbänden eine Klagebefugnis zusteht als auch die Frage, ob es sich bei Artikel 13 DS-GVO um Marktverhaltensregeln handelt, wird im Schrifttum lebhaft diskutiert.
Darf ein Wettbewerbsverband nach DS-GVO klagen?
Nach Auffassung des OLG wurde den Mitgliedsstaaten die Ausgestaltung der effektiven Durchsetzung überlassen, daher (
) muss vom Grundsatz her jede nationale Maßnahme, die geeignet ist, die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, als zulässig angesehen werden.
Zwar sieht Artikel 80 DS-GVO vor, dass eine betroffene Person einen Verband mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragen kann und dass auch die benannten Einrichtungen ohne den Auftrag einer betroffenen Person gegen Verstöße vorgehen können. Wettbewerbsverbände sind dabei jedoch nicht ausdrücklich benannt.
Allerdings enthält Artikel 80 DS-GVO keine abschließende Regelung für die privatrechtliche Rechtsdurchsetzung.
Daher sei auch aus praktischen Erwägungen eine Klagebefugnis anzunehmen. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Mitbewerber und Wettbewerbsverbände hat sich als schlagkräftiges Instrument bewährt (
). Zwar sind die Mitgliedstaaten (
) verpflichtet, die Aufsichtsbehörden mit den erforderlichen Ressourcen auszustatten, damit sie ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen können. Da allerdings alle Ressourcen begrenzt sind und jede Behörde Schwerpunkte und Prioritäten setzen muss, können die Mitbewerber und Wettbewerbsverbände auch bei der Überwachung der Datenschutzregeln einen wesentlichen Beitrag leisten. Damit dient die ihnen zustehende Klagebefugnis der effektiven Durchsetzung der Verordnung, die im Interesse des Verordnungsgebers liegt und die sich damit in den in den Rahmen des den einzelnen Mitgliedstaaten eingeräumten Wertungsspielraums einfügt.
Besteht ein Unterlassungsanspruch?
Unmittelbar aus der DS-GVO selbst ergibt sich kein Anspruch des Wettbewerbsverbands. Allerdings kann der Wettbewerbsverband in diesem Fall über das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Unterlassung vom Händler fordern. Nach Auffassung des OLG Stuttgart leitet sich der Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Absatz 1 und 3 in Verbindung mit 3 und 3a UWG ab.
Das UWG räumt auch Interessensverbänden – wie dem klagenden Wettbewerbsverband – einen Anspruch auf das Unterlassen unzulässiger geschäftlicher Handlungen ein. Dabei handelt beispielsweise nach § 3a UWG unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Das OLG sah in der fehlenden Datenschutzerklärung einen Verstoß gegen Artikel 13 DS-GVO. Dabei vertrat es die Auffassung, dass diese Regelung der DS-GVO bezogen auf den Unternehmensnamen, die Kontaktdaten, den Verarbeitungszweck der erhobenen Daten, der Rechtsgrundlage der Datenerhebung, die Speicherdauer, die Auskunft über Betroffenenrechte und die Datenschutzerklärung in diesem Kontext auch eine Marktverhaltensregelung sei: Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilnehmern dient, ist eine Marktverhaltensregelung, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird
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Auch wenn das OLG Stuttgart die Revision zugelassen hat, ist es mit seiner Auffassung nicht alleine. Das OLG Naumburg (Urteil vom 07.11.2019 – Az.: 9 U 6/19) sieht in der DS-GVO unter bestimmten Umständen ebenfalls Marktverhaltensregeln und das OLG Hamburg (Urteil vom 25.10.2018 – Az.: 3 U 66/17) spricht Wettbewerbern eine Klagebefugnis zu. Wie der BGH diesbezüglich entscheiden wird, bleibt abzuwarten.
In jedem Falle empfiehlt sich die Regelungen der DS-GVO einzuhalten. Falls Fragen noch offen stehen, hilft ein fachkundiger Rechtsrat teure Strafen und Verfahren vorzubeugen. Der auf Datenschutzrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Wolf-Henning Hammer und das Team der ETL Kanzlei Voigt helfen Ihnen gerne weiter.