AG Calw, Urt. v. 07.03.2024, Az. 8 Cs 33 Js 364/24
In dem zu beurteilenden Sachverhalt hatte eine Autofahrerin (Angeklagte), die unter einer Spinnenphobie litt, ihr Fahrzeug ordnungsgemäß in einem Parkhaus abgestellt. Kurz nachdem sie in das Fahrzeug eingestiegen war, um nach Hause zu fahren, bemerkte sie plötzlich ein Krabbeln auf ihrem Körper. In Panik öffnete sie die hintere rechte Tür des Fahrzeugs, wobei diese gegen den auf dem rechts daneben befindlichen Parkplatz ordnungsgemäß geparkten Pkw stieß und dort vermutlich einen hellen Lackabrieb und eine kleine Delle verursachte.
Die Angeklagte habe dies aufgrund ihrer phobisch bedingten Erregung zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt und sich von der Unfallstelle entfernt, ohne auf eine feststellungsbereite Person zu warten oder sonst die Feststellung ihrer Person und ihrer Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Das Fahrzeug war zum Unfallzeitpunkt vollständig abgestellt und mit der Handbremse gesichert.
Da der Angeklagten vorgeworfen wurde, den Tatbestand des § 412 StGB verwirklicht zu haben, indem sie sich ohne weitere Maßnahmen vom Unfallort entfernt hatte, musste sich das Gericht zunächst mit der Frage auseinandersetzen, ob es sich bei dem Geschehen überhaupt um einen Unfall im Straßenverkehr gehandelt hatte. Immerhin hatte sich der Unfall nicht nur in einem Parkhaus ereignet, sondern das Fahrzeug war auch komplett ausgeschaltet und mit der Feststellbremse gesichert.
Das Gericht hatte jedenfalls berechtigte Zweifel daran. In der Urteilsbegründung heißt es daher, um das Tatbestandsmerkmal “Unfall im Straßenverkehr” nicht ins Unbestimmte auszudehnen, müsse es so verstanden werden, “dass es Konstellationen nicht erfasst, in denen eine nicht am Führen des Fahrzeugs beteiligte Person beim bloßen Aufenthalt in einem gesicherten, nicht in Bewegung gesetzten und jedenfalls nicht „verkehrsfähigen“ Kraftfahrzeug ohne unmittelbaren Zusammenhang mit einem Verkehrsvorgang aus einem außerhalb des Straßenverkehrs liegenden Grund ohne Verletzung besonderer straßenverkehrsrechtlicher Pflichten einen Schaden an einem anderen Kraftfahrzeug verursacht”.
Das kann überzeugen. Beim Be- und Entladen eines Fahrzeugs sowie beim Ein- und Aussteigen ist ein Bezug zum Straßenverkehr erkennbar. Beim phobisch bedingten „panischen“ Öffnen einer Tür eines ausgeschalteten Kraftfahrzeugs liegt der Bezug zum Unfallbild im Straßenverkehr fern. Zudem befand sich das Fahrzeug in dem zu beurteilenden Sachverhalt weder in Bewegung, noch war es zu diesem Zweck in Betrieb oder bereits gestartet. Ergänzend und der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass bei der Beantwortung der Frage “§ 142 oder nicht?” auch der örtliche Bezug eine Rolle spielt.
Denn Voraussetzung einer Straftat nach § 142 StGB ist ein Unfall im öffentlichen Verkehrsraum. Öffentlich ist ein Verkehrsraum jedoch nur, wenn er entweder für jedermann ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen und auch so benutzt wird (siehe: “Unfall hinter Schranke“)
Nicht jeder Unfall mit einem Kraftfahrzeug ist ein Verkehrsunfall im Sinne des § 142 StGB! Das ändert aber nichts daran, dass der Verursacher den Schaden ersetzen muss. Im Urteil des AG Calw ging es „nur“ um die strafrechtliche Frage, ob die Autofahrerin den Tatbestand des § 142 StGB verwirklicht hatte. Die zivilrechtlich zu beurteilende Ersatzpflicht gegenüber dem Halter des geschädigten Fahrzeugs stand auf einem ganz anderen Blatt.
Sollten Sie in einen ähnlichen Sachverhalt verwickelt sein, sei es als vermeintlicher Schädiger oder als Geschädigter, kontaktieren Sie uns!
Titelbild: KI-generiert