Am 28.02.2017 hat der Bundesgerichtshof (BGH) Stellung zu den Sachverständigenkosten nach einem Unfall bezogen. Dem vorausgegangen war ein Rechtsstreit um die Höhe des erstattungsfähigen Honorars.
Was war passiert?
Ein Unfallgeschädigter hatte sein Fahrzeug von einem Sachverständigen begutachten lassen. Den auf den Ersatz der Sachverständigenkosten bezogenen Anspruch trat er diesem gegenüber ab, der diese seinerseits an eine Inkassostelle abtrat. Als diese dem Versicherer gegenüber die Bezahlung des Honorars verlangte, kürzte letzterer das Honorar um 105,40 . Zur Begründung führte er aus, dass sowohl das Grundhonorar als auch die Nebenkosten überhöht seien.
Die Inkassostelle wollte sich damit nicht zufrieden geben und zog vor das Amtsgericht Aachen, das der Klage vollumfänglich stattgab. Hiergegen legte der Versicherer Berufung zum Landgericht Aachen ein. Dieses änderte das Urteil dahingehend ab, dass es den Versicherer verurteilte 48,91 zu bezahlen, die Klage aber im Übrigen abwies. Hiergegen ging die Inkassostelle in Revision.
Was sagt der BGH?
Vom Tenor her erscheint das Urteil – zumindest auf den ersten Blick – unspektakulär.
Der Versicherer des Schädigers hat die Sachverständigenkosten zu ersetzen
Dass der Versicherer die Kosten des Sachverständigen zu ersetzen hat, ist nicht neu, denn ein Geschädigter ist nur in den seltensten Fällen in der Lage, den Umfang des Schadens und der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen selber zu erfassen und zu bewerten. Dies kann nur der Sachverständige, der – frei von kürzungs- und kalkulationstechnischen
Vorgaben des Versicherers – den Schaden neutral und fachkundig begutachtet und die dazu erforderlichen Aufwendungen ermittelt.
Folglich lautet der Tenor denn auch: Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
In welcher Höhe sind die Sachverständigenkosten zu ersetzen?
Die Erstattungspflicht hat auch das Berufungsgericht – zumindest dem Grunde nach – bejaht.
Der Höhe nach hat es auf die Aufwendungen abgestellt, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.
So weit, so gut. Interessant ist allerdings, dass das Gericht die Perspektive des Geschädigten gegen die des Sachverständigen austauscht und damit den subjektiven Schadenbegriff verdrängt. So führt es, wenn es um die Höhe des Honorars geht, aus, dass der Geschädigte den auf das Honorar bezogenen Schadenersatzanspruch bereits vor Rechnungsstellung an den Sachverständigen abgetreten habe. Entscheidend sei daher nicht seine, sondern die Perspektive des Sachverständigen.
Und da beim Sachverständigen – im Gegensatz zum Geschädigten – keinerlei beschränkte Erkenntnismöglichkeit
vorliege, könne dieser – in Ermangelung einer konkreten Preisabrede
– auch nur den nach § 632 Abs. 2 BGB ortsüblichen und angemessenen Tarif für seine Leistung abrechnen
. Als geeigneten Maßstab hat das Gericht das arithmetische Mittel des jeweiligen HB V Korridors (Honorarkorridor, in dem je nach Schadenshöhe zwischen 50% und 60% der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen)
gesehen. An dieser Stelle sei die Frage gestattet, ob die im oberen Bereich der Umfragewerte liegenden Honorare als überhöhnt angesehen werden müssen und die betreffenden Sachverständigen künftig gezwungen sein werden, diese nach unten hin anzupassen.
Subjektbezogene Schadenbetrachtung adé?
Das Urteil regt zum Nachdenken an. Indem der BGH auf den Zeitpunkt der Abtretung vor Rechnungstellung abstellt und die Perspektive des Sachverständigen zum Maß der Dinge macht, leistet er einen weiteren Beitrag zur Abschaffung der subjektbezogenen Schadenbetrachtung. Denkt man den vom Berufungsgericht aufgezeigten und vom BGH bestätigten Ansatz weiter, steht am Ende ein – von den besonderen Anforderungen des Einzelfalls losgelöstes – Standardhonorar. Dieses hat dann mit den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten oder den Gegebenheiten des Einzelfalls nichts mehr zu tun. Schlussendlich ist es ein weiterer Schritt hin zur Entmündigung des Geschädigten, der dazu führt, dass sich die Restitutionsleistung am Ende nicht mehr an den Anforderungen des individuellen Schadens, sondern nur noch an den standarisierten sowie industriell und Auftraggeber bezogen erstellten Prüfberichten orientiert.
Kanzlei Voigt-Praxistipp
Die Überlegungen des BGH beruhen darauf, dass die Forderung aus der Sachverständigenrechnung bereits abgetreten wurde, bevor die Rechnung geschrieben war. Maßgeblich war für das Gericht daher die Perspektive desjenigen, der den Rechnungsbetrag schuldete. Die Praxis dürfte daher zunächst etwas restriktiver mit Abtretungen umgehen. Auch dürfte unter Umständen zu unterscheiden sein, ob die Abtretung erfüllungshalber oder an Erfüllung statt erfolgt. Im letzteren Fall “ersetzt” die Abtretung aus Sicht des Kunden die Zahlung. Bei einer Abtretung erfüllungshalber kann der Restbetrag noch beim Kunden angefordert werden – weshalb dann (weiterhin) auf seine Perspektive und den subjektiven Schadensbegriff abzustellen sein dürfte.