AG Viechtach, Urteil vom 11.05.2023, Az. 4 C 14/23
Der BGH hat am 01.06.2010 (Az. VI ZR 316/09) – in einem bis heute wegweisenden Urteil – entschieden, dass Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen genügen, wenn sie ihr beschädigtes Kraftfahrzeug zu dem Preis veräußern, den ein von ihnen eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Entscheidend – zumindest für private Geschädigte – ist daher das Gebot „vor Ort“. Gebote des Sondermarktes sind in der Regel selbst dann unbeachtlich, wenn sie höher sind.
Dennoch bietet die Thematik der Restwertbörsen immer noch Raum für neue Entscheidungen, wie ein aktuelles Urteil des AG Viechtach zeigt. Denn abgesehen von der – rechtwidrig und entgegen der Grundsätze des Bundesgerichtshofs praktizierten – Abwicklungspraxis der Versicherungswirtschaft, war es bisher offenbar auch mit der Information der Geschädigten nicht weit her!
Grundsätzlich sind Geschädigte nicht dazu verpflichtet, ihre beschädigtes Fahrzeug über eine Restwertbörse zu verkaufen. Sofern sie sich aber darauf einlassen, dürfen sie dadurch aber nicht noch zusätzlich geschädigt werden. Genau dies ließ sich aber bei der streitgenständlichen Klausel „Bei dem Verkauf entstehen keine Kosten. Der Kaufpreis wird auf Wunsch bei Übergabe in bar bezahlt.“ nicht ausschließen.
Die Formulierung mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen. Sie lässt den Geschädigten aber im Unklaren darüber, ob das Fahrzeug beim Verkäufer, am Verwahrort oder an einer anderen Lokalität an den Aufkäufer übergeben werden soll. Der Formulierung zufolge, könnte ein Geschädigter die Klausel daher so verstehen, dass er das Fahrzeug an einen – von dem Versicherer oder Aufkäufer – vorgegebenen Übergabeort zu bringen hat. Rechtskonform ist das nicht.
Die – vom OLG München mit Urteil vom 21.10.2011, Az. 10 U 2304/11 definierten – Anforderungen, wonach klar zum Ausdruck zu bringen ist, dass das veräußerte Fahrzeug
konnte die Klausel infolge ihrer Missverständlichkeit jedenfalls nicht erfüllen.
Abgesehen von der „Klauselwatschn“ ist das Urteil aber auch deshalb erwähnenswert, weil das AG Viechtach unmissverständlich feststellt hat, dass ein Geschädigter nur dann gehalten sein kann, eine vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer nachgewiesene günstigere Verwertungsmöglichkeit durch einen Fahrzeugverwerter zu nutzen, sofern ihm das höhere Angebot rechtzeitig zur Kenntnis gebracht wird…“
Im Klartext bedeutet dies: Geschädigte müssen das Restwertangebot des gegnerischen Versicherers nicht abwarten. Sie dürfen ihr Fahrzeug nach wie vor auch eigenständig, z.B. im Rahmen der Ersatzbeschaffung, an einen Aufkäufer ihres Vertrauens veräußern. Private Geschädigte müssen ohnehin die Gebote des Sondermarktes ohnehin nicht berücksichtigen (z.B. AG Ravensburg, Urt. v. 9 C 1213/13). Dies wird auch in der Formulierung des Urteils deutlich, wonach ein Geschädigter nur „gehalten sein kann“, nicht aber verpflichtet ist, eine vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer nachgewiesene günstigere Verwertungsmöglichkeit zu nutzen…
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